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Malerische Morde

Malerische Morde

Titel: Malerische Morde
Autoren: Ralf Kramp
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machte ein paar ungelenke Hüpfbewegungen, als er versuchte, seine Hose über den prallen Bauch hochzuziehen.
    All das machte ihn nervös. Der Druck. Dieser unglaubliche Druck!
    Was da in der Eifel passiert war, hatte die Dinge ganz hübsch in Unordnung gebracht. Wer konnte schon wissen, wie es jetzt weitergehen sollte?
    Morgen, da war er sich jetzt sicher, da würde er einen Anruf bekommen und erneut nach Neuwied fahren. Da würde er dann unter der Aufsicht der genervten Hinterbliebenen den Nachlass der alten Dame taxieren und würde ihnen erklären, dass die beiden Bilder das Einzige waren, was auch nur annähernd einen Wert darstellte. Schmuck war vielleicht auch noch da, aber so was rissen sich Tochter, Schwiegertochter oder Enkelchen schneller unter den Nagel, als man auch nur Piep sagen konnte.
    Die Bilder. Diese beiden unsignierten, ordentlich gerahmten Schinken aus den Zwanzigern, die waren richtig. Landschaft, Ginster, alte Burg. Das war was. Da konnte man was draus machen. Unsigniert!
    »Ach, wissen Sie«, murmelte er, während er seinen Mercedes aufschloss, »für diese beiden alten Gemälde, da gebe ich Ihnen … na, sagen wir mal fünfhundert Euro … ja, natürlich zusammen. Dafür schaffe ich Ihnen auch den ganzen anderen ollen Kram weg.«
    Er ließ sich hinters Steuer fallen, und wenige Augenblicke später fuhr er bereits in Richtung Rheinbrücke, zurück in die Eifel.

Drittes Kapitel
    I
ch habe hin und her überlegt und ich glaube, ›Verachtung‹ ist das richtige Wort. Aber ich bitte dich, ich kann die alte Dame verstehen. Was hattest du erwartet? Rot geweinte Augen?
    Himmlische Ruhe und tödliche Stille haben die gleiche Phonstärke. Eine Weisheit, die Herbie in Augenblicken wie diesem durch den Kopf schoss. Tante Hettie stand stumm und unbeweglich vor ihm, die faltigen Hände auf den silbernen Knauf ihrer Krücke gelegt, mit mühsam gebändigtem weißem Haar, gehüllt in einen schwarzen Morgenmantel mit goldenen Ornamenten. Um sie herum flatterten zahllose Plastikfolien. Möbel waren in Folie eingehüllt, braunes Packpapier war in dicken Bahnen über den Parkettboden gespannt. Im Zentrum ihres riesigen, surrealistisch dekorierten Wohnzimmers stehend, sah Tante Hettie aus wie eine Kopie des greisen Salvador Dali inmitten einer seiner wirrsten Installationen.
    Es fehlen nur noch farbbesudelte nackte Jüngerinnen und brennende Giraffen, die von rechts nach links durchs Bild laufen
. Julius’ Mundwinkel zuckten spöttisch.
    Am anderen Ende des Raumes lauerte Tante Hetties Schoßhündchen – die ondulierte Pudelkarikatur namens Bärbelchen, in einem ebenfalls verhüllten Hundekörbchen – und schickte ab und zu drohende Knurrlaute in Herbies Richtung. Sie hassten einander tief und innig.
    Herbie dachte fieberhaft nach. Das Wohnzimmer war nach seinem unrühmlichen Abgang vor zwei Jahren in einem beklagenswerten Zustand gewesen. Natürlich war all das nicht unmittelbar seine Schuld gewesen. Er war da in eine dieser Sachen hineingeraten, die ihm immer wieder passierten, und es hatten sich einige Dinge mit dem Parkettboden und mit dem kostbaren Mobiliar zugetragen, an die er wirklich nicht gerne zurückdachte. Womöglich hatte seine Tante diesen Raum in all den Jahren nicht bewohnt, hatte alle Spuren seiner Untaten mit Folie verhüllt, konserviert, und jetzt würde sie gleich das alles beiseite reißen und ihm die Wunden zeigen, die er diesem Raum geschlagen hatte. Die Brandflecken, das gesplitterte Holz, die ruinierten Vorhänge.
    Er saß zusammengekauert in einem kleinen Sessel, dessen Folienbespannung knisterte, sobald er zu atmen wagte. Er kam sich sehr mickrig vor.
    Und plötzlich sprach die Salzsäule: »In den nächsten Tagen kommen die Maler. Meine Innenarchitektin hat mir Apricot für die Wände empfohlen.«
    »Apricot?«
    Eine Farbe. So ein Zwischending zwischen …
    »Feng Shui, aber davon verstehst du ja sowieso nichts. Für die Wände. Meine Innenarchitektin glaubt, es würde dem Raum mehr Seele einhauchen.« Tante Hettie sagte das mehr zu sich selbst, als an ihn gerichtet.
    »Gertie Angheister aus Köln?«
    »Sieglinde Ruff-Finkelstein aus Düsseldorf.«
    »Ich dachte, das sei die Visagistin …«
    Mit einer plötzlichen Bewegung ihrer Krücke brachte seine Tante das Geplänkel zu Ende. »Ich will nicht wissen, wo du dich herumgetrieben hast. Deine Cousine hat mir gütigerweise ab und zu ein Lebenszeichen von euch zukommen lassen. Das hat mich davor bewahrt, vor Gram zu sterben.«
    »Ich
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