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0492 - Dem Henker gestohlen

0492 - Dem Henker gestohlen

Titel: 0492 - Dem Henker gestohlen
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»Cotton? Sind Sie das, Cotton?« fistelte es mir aus dem Hörer entgegen.
    Der Klang dieser Stimme jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. Ich kannte sie, aber es konnte gar nicht die sein, an die ich dachte.
    Das Schrillen des Telefons hatte mich aus einem bleischweren Schlaf gerissen, dem ersten Schlaf nach vierzig Stunden. Und ich war noch nicht ganz wach. Einen Moment kam es mir vor, als träumte ich.
    Aber wirklich nur einen Moment. Denn dann war die Stimme wieder da. »Cotton! Geben Sie Antwort!«
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
    »Cotton! Sie müssen mir helfen! Kommen Sie sofort! Sofort! Ich bin in der Zelle in der Clinton Street, gegenüber von Pier 37 und…« Er brach ab. Ich hörte nur noch sein schweres Atmen. Dann war es mir, als vernähme ich das Aufbrüllen eines bulligen Motors. Das schnaufende Atmen brach ab. Ein dumpfer Schlag folgte.
    »Cotton!« klang es wie aus weiter Ferne.
    »Ja, reden Sie, Mann!« brüllte ich in die Sprechmuschel.
    Die Antwort war ein Schuß. Gleichzeitig hörte ich das Splittern einer Glasscheibe. Und dann den Schrei eines Mannes in höchster Not. Sekundenlang überschnitten sich einige Geräusche, die ich nicht identifizieren konnte. Schließlich war es still. Totenstill!
    »Hallo!« rief ich in den Hörer. Und noch einmal: »Hallo!«
    Es blieb still.
    Schnell schaute ich auf meine Uhr. Es war kurz nach halb drei in der Nacht. Sollte ich doch geträumt haben? Ich lauschte noch einmal angestrengt in den Hörer, dann streckte ich meine Hand aus, um ihn auf die Gabel zurückzulegen.
    Im letzten Sekundenbruchteil, bevor die Verbindung unterbrochen wurde, hörte ich das plärrende Geräusch. Blitzschnell hatte ich den Hörer wieder am Ohr. »Hallo!«
    »Wer ist da?« klang es mir entgegen. Es war eine andere Stimme als vorher. Eine feste, ruhige, entschlossene.
    »Hier ist Cotton vom FBI«, meldete ich mich, »was ist dort los?«
    »Nichts ist hier los«, sagte die andere Stimme. »Mach dein Licht aus, G-man, und schlafe. Du hast geträumt!«
    Jetzt war ich plötzlich hellwach. »Wer sind Sie?« fragte ich scharf. Mit dem Hörer am Ohr sprang ich aus dem Bett und angelte nach meinen Kleidern, entschlossen, sofort zur Clinton Street zu fahren.
    »Spielt keine Rolle, G-man. Was hier passiert, ist unser Bier. Laß deine Finger davon. Deine Arbeit in dieser Sache ist erledigt. Es wäre schade, wenn wir uns wegen dieses Dreckstücks in die Haare geraten würden. Gute Nacht, G-man!«
    Ich hörte nur noch ein metallisches Knacken. Dann war die Leitung tot.
    In weniger als zwei Minuten war ich angezogen. Ich fuhr mir einmal mit dem Kamm durch die Haare und stülpte dann meinen Hut darauf.
    Die City war wie leergefegt, und ich kam mit meinem Jaguar rasch vorwärts, obwohl ich Rücksicht auf das Schlafbedürfnis meiner Mitmenschen nahm und auf den Gebrauch der Sirene verzichtete.
    Drüben, über Brooklyn, zeigte der Himmel schon wieder einen hellen Schimmer. Ein neuer Tag machte sich bereit, heraufzuziehen. In den Häuserschluchten war es noch dunkel. Ein paar schwankende Gestalten tappten ziellos durch die Nacht. An einer Ecke stritten sich zwei Yellow-Cab-Fahrer, die sich gegenseitig ans Blech geraten waren. Das alles sah ich an mir vorbeihuschen wie einen Fernsehfilm, den ich schon ein dutzendmal gesehen hatte.
    Es interessierte mich nicht. Für mich gab es jetzt nur noch die Telefonzelle in der Clinton Street. Gegenüber von Pier 37.
    Schon von weitem sah ich die Telefonzelle. Kein Mensch war in der Nähe.
    »Vielleicht gibt es noch eine Zelle«, dachte ich.
    Ich fuhr links heran und sprang aus dem Jaguar, den ich mit laufendem Motor stehen ließ. Mit drei Schritten war ich dort. Es war die Zelle, aus der die beiden Unbekannten mit mir gesprochen hatten. Kein Zweifel. Der Boden der Kabine war mit Glasscherben übersät. Die Scheibe auf der linken Seite der Kabine fehlte. Schnell schaute ich mich weiter um. Das Geschoß, das die Scheibe zertrümmert hatte, steckte im dickleibigen Band des Telefonverzeichnisses von Manhattan. Das Einschußloch befand sich im hinteren Deckel, und ich wußte, daß die Kugel nach dem Durchschlagen der Scheibe nicht mehr die Gewalt gehabt haben konnte, das ganze Buch zu durchbohren.
    Mit einem Taschentuch faßte ich das Geschoß, nachdem ich das Buch aufgeschlagen hatte. Es war eine Stahlmantelkugel vom Kaliber 7,65 Millimeter. Offenbar hatte sie außer der Glasscheibe und dem Telefonbuch nichts getroffen.
    Ein Mann hatte von hier aus
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