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Malerische Morde

Malerische Morde

Titel: Malerische Morde
Autoren: Ralf Kramp
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näselnde Stimme mit einem Anflug von Arroganz.
    Als Herbie für einen Moment innehielt, um den Koffer von der Linken in die Rechte zu geben, erkannte er im trüben Schein der Straßenlaterne seinen Begleiter, der ihn vor zwei Jahren in die ferne Großstadt entlassen hatte.
    Julius hatte sich nicht verändert. Wie sollte er auch, unterlag er doch nicht den biologischen Prozessen der Alterung und der Vergänglichkeit.
    Aber, bitte
. Julius machte eine treibende Handbewegung.
Nur zu. Vermutlich wird deine alte Tante ganz außer sich vor Freude sein, weil der heiß geliebte, verlorene Neffe nach so langer Zeit nach Hause zurückgekehrt ist. Sie wird einen Kuchen gebacken haben – an jedem einzelnen Tag deiner Abwesenheit, um stets gerüstet zu sein für deine Wiederkehr
.
    »Du hast dich nicht verändert.«
    Wie sollte ich auch?
    »Du redest immer noch denselben Unsinn wie damals.«
    Stimmt, mein Bester. Verzeihung, du hast natürlich Recht. Sie hat einen einzigen Kuchen gebacken. Und der wartet schon seit zwei Jahren auf dem Küchentisch auf deine Heimkehr. Hoffentlich ist es ein Rodonkuchen und keine Buttercremetorte
.
    »Es sind fast zwölf Uhr. Du kannst dir wahrscheinlich ebenso gut vorstellen wie ich, wie uns Tante Hettie empfangen wird.« Herbie setzte den Koffer ab und rieb seine schmerzende Hand. Dann musterte er Julius mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Skepsis. »Hast du auf mich gewartet?«
    Sehe ich da einen Hauch von Freude in den kleinen verschmitzten Äugelchen? Hat mich da jemand vermisst?
    Herbie griff nach dem Koffer und beschleunigte seinen Schritt.
    Auf der Rückreise hatte er oft genug an seinen unsichtbaren Begleiter aus früheren Zeiten gedacht. Als die Wehrtürme des alten Eifelstädtchens vor ihm aufgetaucht waren, da war es beinahe schon so gewesen, als sei er dicht bei ihm, als habe der massige Körper schon längst wieder seinen Schatten auf seinen Weg geworfen.
    Und als Julius dann endlich das Wort ergriff, da war plötzlich alles wieder so wie früher, so wie in der Zeit vor Nina, vor München.
    Er war nun nicht mehr allein – und das musste reichen.
    Man konnte sich seinen Begleiter nicht immer aussuchen.
    »Zwei Tote, Julius. Kannst du dir vorstellen, dass unser Köbes für zwei Leichen verantwortlich sein soll?«
    Köbes war schon immer ein ruchloser Mensch. Einem Frankenstein, der sein Geld damit verdient, verbeulte Autoteile zu gemeingefährlichen Monstren zusammenzuschweißen, traue ich alles zu
.
    »Er versteht nichts von Autos, okay, aber Mord …«
    Ein Teufelskreis der Gewalt
.
    Julius’ Argumentation hatte sich nicht zum Besseren gewandelt.
    Sie hatten die Windhecke erreicht, die sich den steilen Berg hinaufwand. Herbie schnaufte, und der Schweiß schoss ihm aus allen Poren.
    Das musste man München lassen. Es war ebenerdig angelegt.
    Wir sind da, mein Alter. Schau, schon alles dunkel. Ich schätze, die alte Dame steht mit wirrem Haar in der beklemmenden Dunkelheit ihres einsamen Heims am Fenster, so, wie sie es jede Nacht tut, um Ausschau nach dem verschollenen Lieblingsneffen zu halten. Die Hände fest um den Rosenkranz geklammert, der zahnlose Mund Fürbitten und Stoßgebete brabbelnd
.
    »Sie wird mich erschlagen. Mit dem silbernen Knauf ihrer Krücke wird sie mir eins überziehen, und wenn ich Glück habe, werde ich mir noch rasch aussuchen dürfen, was auf meinem Grabstein stehen wird.«
    Gib dich keinen Illusionen hin, du wirst in einem Armengrab vor der Stadtmauer verscharrt werden
.
    Herbie öffnete das kleine schmiedeeiserne Tor, das auf den Fußweg aus Bruchsteinplatten führte. Henriette Hellbrechts Anwesen hatte in den beiden letzten Jahren nicht gelitten. Eine schmiedeeiserne Reiherfamilie war um den kleinen Teich gesetzt worden, und auch die Marmorputten schienen sich ungebührlich vermehrt zu haben, aber ansonsten war alles unverändert.
    Wie eine neuzeitliche Trutzburg lag Tante Hetties Villa im kalten Mondlicht vor ihnen. Weiß getüncht, akkurat herausgeputzt wie eh und je, schien sie geradezu von innen heraus vor Kraft zu strahlen.
    »Julius.«
    Hm?
    »Mal angenommen, mein Name wäre Don Quichotte de la Mancha.«
    Mal angenommen
.
    »Und du wärst mein treuer Gefährte Sancho Pansa.«
    Grmmmpfff
.
    »Nina wäre die unerreichbare, schöne Dulcinea …«
    Worauf willst du hinaus, Junge?
    »Schau, dort, vor uns. Siehst du die Riesen?«
    Ihr meint die Windmühlen, Herr?
    »Die Riesen, Sancho! Die Riesen. Sieh, wie sie mit den Armen rudern, wie sie uns
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