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Malerische Morde

Malerische Morde

Titel: Malerische Morde
Autoren: Ralf Kramp
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einsamer junger Mann auf einem rostigen Stück Sperrmüll und träumte von den Trümmern seines Lebens.

Viertes Kapitel
    Diesen Teil der Eifel hatte Herbie nie zuvor bereist. Ein Schulausflug hatte ihn vor über zwanzig Jahren mal bis nach Gerolstein geführt, wo sie sich angeguckt hatten, wie Sprudelwasser in Flaschen abgefüllt wurde, und ein-oder zweimal war er bis nach Prüm geraten, aber als er an diesem Morgen nach Daun aufbrach, da hing fast so etwas wie Abenteuerlust in der Luft.
    Schaudernd hatte er noch einmal einen Blick zurück in die Wohnung geworfen und zu Julius gesagt, dass nirgendwo auf der Welt Feng Shui in solcher Reinkultur angewendet werde.
    Ich fand es nett, dass die Bauarbeiter dich um sieben geweckt haben
. Julius hatte im Zug den Platz neben einem alten Eifeler Opa eingenommen, der ohnehin verunsichert schien, da er wahrscheinlich seit der Einführung der Elektrolok nicht mehr auf Schienen gereist war. Unsicher hielt er seine Fahrkarte fest umklammert und registrierte skeptisch, dass Herbies Blick pausenlos in seine Richtung wanderte.
    Du wärst womöglich zu spät gekommen. Tapfere Bauarbeiter
. Julius liebte es, Herbie in solchen Situationen zu einem Gespräch zu verführen.
    »Das war ein fetter, unrasierter Jugoslawe, und als ich sein feistes Gesicht direkt am Fenster neben mir gesehen habe, hätte mich fast der Schlag getroffen.«
    Der Opa wandte sich um, um nachzugucken, mit wem Herbie sich möglicherweise unterhielt.
    Du bist schreckhaft. Nur, weil er gegen die Scheibe gehämmert hat …
    »Ich war froh, dass ich so tief in der ollen Liege drinhing, dass ich nicht rausfallen konnte.«
    Zugegeben, als sein Kollege dann in die Wohnung kam und dich für einen Penner hielt, der übers Gerüst ins Haus eingestiegen ist, das war knifflig
.
    »Meine erste Nacht in dieser Wohnung. Und auch meine letzte.«
    Der Opa räusperte sich verlegen, erhob sich umständlich, und murmelte, während er das Abteil verließ: »Tut mir leid, dat Sie net jut jeschlafen haben. Dann jeh ich mal.«
    Der Zug fuhr an Nettersheim vorbei, und Herbie erinnerte sich an eine alte Geschichte, die sich hier, unweit der Bahnlinie, auf einem alten Bauernhof zugetragen hatte. Eine alte Geschichte, die viele Jahre zurücklag, und in der Nina an seiner Seite gewesen war. Er seufzte tief und verfiel bis Gerolstein in trübes Schweigen. Und sein unsichtbarer Begleiter war taktvoll genug, ihn nicht dabei zu unterbrechen.
    *
    In Gerolstein wartete Ulrike am Bahnhof.
    Herbie hatte versucht, sich zu erinnern, wie lange sie sich schon kannten. Er hatte Jahre um Jahre zurückgerechnet. Es musste eine Ewigkeit sein. Er war der Trauzeuge bei Ulrikes und Köbes’ Hochzeit gewesen und hatte seither miterlebt, wie die beiden sich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen trennten und auch wieder zueinander fanden. Köbes war als Ehemann ein Totalausfall, da er seine Zeit ausschließlich damit verbrachte, an alten Autos herumzuflexen, martialisch klingende Filmmusik in voller Lautstärke zu hören und sich die Kante zu geben. All dies füllte seinen Tag in etwa zu drei gleichen Teilen aus. Ulrike hatte keinen Platz in diesem geregelten Tagesablauf, und so hatte sie früh damit begonnen, sich ihr Vergnügen an anderer Stelle zu suchen. Die Zahl ihrer Liebhaber war Legion. Was diese Liebschaften auszeichnete, war die Tatsache, dass sie sich jedes Mal sicher war, dass ihr »der Mann ihres Lebens« über die Füße gelaufen war. Von ihrem Gynäkologen war sie dann irgendwann sogar einmal schwanger geworden, und das hätte beinahe bedeutet, dass das Schicksal ihrer Ehe besiegelt war. Aber dann hatte sie das Kind verloren und war wieder ins heimische Zingsheim zurückgekehrt. Seit kurzem erst hatte sie einen Verehrer aus Daun, was ihr sehr zupass kam, da sie eine Arbeitsstelle in einer Suchtklinik in der Nähe von Schalkenmehren angetreten hatte.
    All das hatte Herbie aus Köbes’ Erzählungen am Telefon erfahren.
    Während er Ulrike jetzt sah, wie sie da auf dem Bahnsteig stand und wie wild winkte, als sie seiner ansichtig wurde, stellte Herbie fest, dass ihr die neue Beziehung offensichtlich sehr gut tat. Sie trug ihr braunes Haar kürzer als früher und war sonnengebräunt.
    Ich versuche gerade, mir diese erfrischende Erscheinung an der Seite deines Freundes vorzustellen. Sie mit ihrem strahlenden Gesicht und er mit seinem zugewucherten Chaotengesicht. Schneewittchen und Rübezahl hätten kein schöneres Paar sein können
.
    Herbie
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