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Malerische Morde

Malerische Morde

Titel: Malerische Morde
Autoren: Ralf Kramp
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dienstlicher Korrektheit und menschlicher Abscheu.
    Ulrike kramte ihren Personalausweis hervor und zeigte den Zweitschlüssel, den sie mitgebracht hatte.
    »Ist was?«, rief der Kollege aus dem Inneren des anderen Fahrzeugs. Er war ein stämmiger älterer Mann mit einem zackigen, grauen Bürstenschnitt. Der Junge beugte sich kurz zu ihm hinüber und erklärte die Situation.
    Dann nickte er Ulrike und Herbie zu. »Ist in Ordnung. Der Wagen ist freigegeben. Wenn Sie hinter uns herfahren, bringen wir Sie hin. Dann reichte er ihr den Ausweis und stieg zu seinem Kollegen.
    Herbie und Ulrike sprachen kein Wort, während sie dem Wagen hinterher den Berg hinunterfuhren.
    Wenig später bogen sie auf eine Hauptverkehrsstraße ab und fuhren ortsauswärts. Am Arbeitsamt bogen sie rechts ab und fuhren am Waldrand entlang. Gerade als sich die Wipfel der Bäume über ihnen schlossen, und sie schon fast glaubten, am Ende des kleinen Industriegebiets angekommen zu sein, tauchten vor ihnen zwei Autohäuser aus dem Grün auf. Vor der Firma Stolz kam der Polizeiwagen zum Stehen.
    Der ältere Polizist kam auf sie zu und begrüßte sie kurz angebunden. Ein tonloses »Warten Sie’n Moment« war alles, was er darüber hinaus zustande brachte. Der Junge, der zuvor in der Werkstatt verschwunden war, tauchte wieder auf und winkte.
    »Geh hin, Herbie«, sagte Ulrike. »Du sollst das Auto holen.«
    »Ulrike, ich weiß nicht, ob das eine gute I …«
    »Nun mach schon.« Sie gab ihm einen Schubs, und zögernd stieg er aus. Julius trabte hinterdrein.
Wovor hast du Angst? Was hast du in München angestellt? Wirst du gesucht?
    Der Polizist ging wortlos vor ihnen her und grüßte im Vorbeigehen mit einem müden Winken ein paar Monteure.
    Sie erreichten schließlich Köbes’ Auto, das eigentlich kaum anders aussah, als alle anderen Fahrzeuge aus dessen Fuhrpark je ausgesehen hatten. Es war ein roter Kadett-Kombi mit blank gescheuertem Lenkradfell und verschossenen Sitzpolstern. Der Lack hatte jeglichen Hauch eines Glanzes verloren, und auf dem Kofferraumdeckel prangte ein großer Aufkleber mit der Aufschrift
Leck mich
.
    »Da steht die Karre«, sagte der Polizist trotzig. »Das Profil ist runter. Glatt wie ein Kinderarsch, die Reifen. Und über den TÜV-Termin ist er auch schon einen Monat drüber. Am liebsten würde ich den sofort stilllegen.«
    »Warum tun Sie’s nicht?«, fragte Herbie unschuldsvoll.
    »Ich will das Ding hier nicht mehr sehen. Schaffen Sie ihn bitte weg.«
    Herbie nahm den Schlüssel entgegen, und während er einstieg, bestaunte er den Rückspiegel, der mit Basteldraht am Wagenhimmel festgeknüpft war und bei jeder Bewegung hin-und herbaumelte.
    »Darf ich Sie was fragen?« Der Polizist räusperte sich. Zwischen seine ernsten Zügen mischte sich so etwas wie Verlegenheit. »Kennen Sie den gut? Diesen Nießen?«
    Herbie zuckte mit den Schultern. »Köbes? Naja. Es gibt kaum jemanden, den ich besser kannte. Ich war zwei Jahre in München, und wir haben uns eine Zeitlang nicht gesehen. Aber ich kenne ihn seit der Schulzeit. Ich weiß, wie er tickt. Und ich weiß, dass er das, was ihm da vorgeworfen wird, nie tun könnte, wenn es das ist, was Sie wissen wollen.«
    Der Polizist nickte ernst. »Ich habe ihn gefunden. Mein Kollege und ich, wissen Sie. Wir kamen am Morgen an sein Auto. Da lag er, total abgefüllt, und neben ihm, da lag dieser Knüppel. Eigentlich sieht alles so aus, als wäre er’s gewesen.«
    Herbie kratzte sich am Kopf. »Er war’s nicht. Das ist für mich klar. Ein anderer wird’s getan haben und hat die Gelegenheit genutzt, um ihm das anzuhängen. Es wird sich alles klären.«
    »Das war eine verdammt fiese Sache«, murmelte der junge Mann. »So was passiert hier bei uns selten. Das war brutal und eiskalt. Wär gut für Ihren Freund, wenn er’s nicht war.«
    Mit diesen Worten drehte sich der Polizist um und ging fort. Am anderen Ende der Halle sprach er kurz mit einem Monteur, der daraufhin mit Hilfe eines Kettenzugs das große Rolltor öffnete. Der Polizist ließ Herbie hinaus.
    Lass uns froh sein, dass selbst in diesem Landstrich die Lynchjustiz mittlerweile größtenteils abgeschafft ist
.
    »Er hat Recht. Es war offensichtlich brutal und eiskalt. Wenn sie den kriegen, der’s getan hat, kann er sich auf was gefasst machen.« Herbie rührte ein wenig unbeholfen in der Gangschaltung und brachte den Wagen schließlich ohne Zwischenfälle aus der Halle auf den Vorplatz. Der Auspuff sang knatternd das Lied seiner
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