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Malerische Morde

Malerische Morde

Titel: Malerische Morde
Autoren: Ralf Kramp
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unablässig die Hände.
    *
    Es ist keiner da. Lass uns wieder gehen
.
    Hinter der Haustür wurden Geräusche laut. Herbie hörte, wie eine Sicherungskette entfernt wurde. Er grinste Julius triumphierend an.
    Dann stand der Oberregierungsrat a. D. vor ihnen: die kleine, gebückte Gestalt eines steinalten Mannes, dessen Augen durch eine dicke Hornbrille zwinkerten. Seine Rechte zuckte ununterbrochen, und der Schlips um seinen Hals war unordentlich geknotet. Überhaupt machte er den Eindruck, als lege er wenig Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Er trug zwar Weste, Schlips und Jackett, aber alles war schon Jahrzehnte alt und alles andere als frisch gebügelt.
    »Guten Tag«, sagte Herbie und versuchte, sich auf ihn einzustellen. Er hatte ein wenig damit gerechnet, einen eiskalten Kunsthändler vorzufinden und sich vorgenommen, möglichst lässig in die Verhandlungen einzutreten.
    »Ja, guten Tag«, schnurrte das Männlein. »Wer … wen …«
    »Mein Name ist Hans-Bert Lohse. Herr Dr. Pfeiffer?«
    Oh nein, nicht schon wieder. Das letzte Mal, als du diesen Namen verwendet hast, gab es eine Katastrophe
.
    »Ja. Und was kann ich …«
    Herbie hatte den Verdacht, dass der greise Einsiedler den Umgang mit Fremden nicht mehr gewohnt war, also schnitt er ihm kurzerhand das Wort ab.
    »Ich habe etwas für Sie!« Er legte einen verführerischen Schmelz in seine Stimme. »Etwas, das Sie sicherlich interessieren dürfte. Kommen Sie mit!« Herbie huschte zum Kofferraum des Kombis und öffnete den Deckel. Während der alte Mann ihm langsam folgte, rupfte er an der karierten Decke herum und entfernte sie so weit, dass ein Blick auf das Gemälde frei wurde.
    Schäm dich, das letzte Hab und Gut deiner armen Tante zu verscherbeln
.
    Herbie strahlte den Greis an. »Na, was sagen Sie jetzt?«
    Zu seinem Erstaunen hatte Dr. Pfeiffer mit einer raschen Handbewegung eine kleine Lupe hervorgezaubert und beugte sich über das Bild. Sein Blick prüfte die Signatur, und er sagte. »Degode, Frühlingsstimmung an der Munterley, 1918. Hm. Soso. Das ist echt, so viel kann ich sagen. Prächtiges Format …« Er strich mit einem dünnen, spitzen Finger über das schwarz lackierte Holz des Rahmens. »Wunderbarer Atelierrahmen. Soweit in Ordnung, unbeschädigt.« Dann blickte er wieder auf. Seine Äugelchen zwinkerten hinter den dicken Gläsern seiner Brille. »Und warum fahren Sie es spazieren?«
    Völlig überrascht angesichts der schnellen Auffassungsgabe des alten Mannes, den er eigentlich für komplett senil gehalten hatte, stammelte Herbie nur: »Verkaufen … Ich wollte es Ihnen verkaufen.«
    Der Alte kicherte. »Nein, junger Mann, ich fürchte, da muss ich Sie enttäuschen. Das ist völlig zwecklos. Ich sammle zwar Eifelgemälde, aber ich habe einen speziellen Geschmack. Dieser Degode mag ein schönes Stück sein, aber er passt nicht in meine Sammlung.« Er wandte sich um und wackelte zurück zu seinem Haus.
    »Herr Wallraff hat mich geschickt«, versuchte Herbie verzweifelt einen weiteren Anlauf. »Ich kann Ihnen im Preis entgegenkommen!«
    Wie wäre es mit dreißig Silberlingen?
    »Mag sein«, lachte der Alte, ohne sich umzudrehen. »Ich habe trotzdem kein Interesse.« Er war gerade im Begriff, die Haustür zu schließen, als er es sich offensichtlich ganz plötzlich doch noch einmal anders überlegt hatte. »Kommen Sie mal rasch her, junger Mann!«, rief er und winkte mit dem Arm.
    Herbie, der enttäuscht damit begonnen hatte, das Bild wieder zuzudecken, richtete sich auf, stieß sich den Kopf am geöffneten Kofferraumdeckel und lief hin. »Was gibt’s?«, fragte er eifrig.
    Im selben Augenblick, in dem er in den Hausflur hineinsprang, traf ihn etwas Schweres, Hartes am Hinterkopf. Er stellte gerade noch fest, dass der Flur ebenso kahl und nackt aussah, wie die Fassade des ganzen Hauses, bevor er zusammenbrach.

Zweiundzwanzigstes Kapitel
    Die kleinen Äuglein waren vor Schreck und Sorge weit aufgerissen. Herbie sah Goldkronen in den Mundwinkeln des alten Mannes, der sich tief über ihn gebeugt hatte.
    Jetzt schob sich auch das feiste Gesicht seines Freundes Julius in Herbies Blickfeld. Julius zog die Stirn kraus, was ein untrügliches Zeichen dafür war, dass er sich wirklich große Sorgen machte.
    »Das durfte nicht passierten«, flüsterte Dr. Pfeiffer verstört.
    Herbie lag auf dem Boden. Er spürte, wie ein Wassertropfen von seinem Nasenrücken rann. Aber über ihm war eine Zimmerdecke. Er erinnerte sich an den Regen. Was war an der
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