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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet
Autoren: Georges Simenon
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Schießbuden und der Knallfrösche hätte jemand den Schuß gehört. Hotelangestellte wären ins Zimmer gelaufen, hätten vielleicht eingegriffen, ehe das Messer zustach …
    Die Nacht war hereingebrochen. Man konnte nur noch den Widerschein des Mondes auf dem Fluß und die zwei Laternen diesseits und jenseits der Brücke erkennen.
    Drinnen im Café wurde Billard gespielt.
    »Eine merkwürdige Geschichte«, schloß Inspektor Grenier. »Du lieber Himmel, es ist schon elf! Mein Zug fährt um elf Uhr zweiunddreißig, und bis zum Bahnhof brauche ich eine Viertelstunde … Wie gesagt, wenn man ihn wenigstens bestohlen hätte …«
    »Wann schließen die Jahrmarktbuden?«
    »Um Mitternacht. Polizeivorschrift.«
    »Das bedeutet, daß das Verbrechen vor Mitternacht verübt wurde und daß noch nicht alle Hotelbewohner schlafen gegangen waren.«
    Das Gespräch zwischen den beiden Männern setzte sich in Bruchstücken fort, da jeder seinen eigenen Gedanken nachhing.
    »Es ist wie mit diesem Namen Clément, unter dem er hier auftrat … Der Wirt wird Sie darüber informieren … Er kam in regelmäßigen Abständen, ungefähr alle sechs Monate … Es sind mindestens zehn Jahre her, seitdem er das erste Mal auftauchte … Und er gab sich immer als Monsieur Clément aus. Als Rentner aus Orléans …«
    »Hatte er keinen Musterkoffer mit, wie die Handlungsreisenden ihn üblicherweise tragen?«
    »In seinem Zimmer befand sich jedenfalls keiner. Aber der Wirt wird Bescheid wissen … Monsieur Tardivon!
    Augenblick, bitte! Das ist Kommissar Maigret aus Paris. Er möchte Sie etwas fragen. Kam Monsieur Clément jeweils mit einem Musterkoffer hierher?«
    »Der versilberte Waren enthielt!« ergänzte der Kommissar.
    »Nein. Er kam nur mit einer Reisetasche, die lauter persönliche Dinge enthielt. Er legte Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Ich zum Beispiel habe ihn nie in sportlicher Kleidung gesehen. Er trug meist ein schwarzes oder dunkelgraues Jackett …«
    »Ich danke Ihnen.«
    Maigret dachte an die Firma Niel & Co. Monsieur Gallet war ihr Generalvertreter in der Normandie gewesen. Die Firma stellte versilberte Geschenkartikel her: Beißringe für Babys, Becher, Bestecke, Früchtekörbe, Messergarnituren, Tortenschaufeln …
    Er schlang das winzige Stück Mandelkuchen, das die Kellnerin ihm vorgesetzt hatte, hinunter und begann seine Pfeife zu stopfen.
    »Ein Schnäpschen gefällig?« fragte Monsieur Tardivon.
    »Meinetwegen …«
    Der Wirt holte die Flasche, setzte sich zu den beiden Polizeibeamten.
    »Sie sind also der Kommissar, der die Untersuchung weiterführt. Was für eine Geschichte, wie? Und das ausgerechnet jetzt, da die Saison beginnt! Sie werden mir nicht glauben, aber ich habe sieben Gäste, die heute morgen ins ›Commerce‹ umgezogen sind … Auf Ihr Wohl, Messieurs! … Um auf Monsieur Clément zurückzukommen … Ich sage immer noch Clément, aus lauter Gewohnheit. Woher sollte ich auch wissen, daß das nicht sein richtiger Name war …!«
    Die Terrasse leerte sich. Ein Kellner rückte die Kübel mit den Lorbeerbäumchen, die die Tische umgaben, an die Hausmauer. Am gegenüberliegenden Flußufer fuhr ein Güterzug vorbei, und die Blicke der drei Männer folgten automatisch dem rötlichen Schein, der den Rebhängen entlangglitt.
    Monsieur Tardivon hatte seine Laufbahn als Koch in einem berühmten Hotel begonnen und sich aus jener Zeit eine feierlich-herablassende Art zu sprechen bewahrt.
    »Das Merkwürdigste an der Geschichte«, sagte er, seinen Armagnac mit den Händen wärmend, »ist, daß dieses Verbrechen um ein Haar nicht passiert wäre …«
    »Der Jahrmarkt!« fuhr Grenier dazwischen, indem er dem Kommissar zuzwinkerte.
    »Was hat denn der damit zu tun? … Nein! Ich meine, als Monsieur Clément am Samstagvormittag hier ankam, gab ich ihm das blaue Zimmer, das auf den sogenannten Brennnesselweg hinausgeht. Das ist der Weg, den Sie von hier aus sehen können, gleich um die Ecke. Man nennt ihn so, weil er ganz von Brennesseln überwuchert ist, seitdem er nicht mehr benutzt wird.«
    »Weshalb wird er nicht mehr benutzt?« fragte Maigret.
    »Sehen Sie die Mauer gleich dahinter? Die gehört zum Park der Villa von Monsieur de Saint-Hilaire. Die Einheimischen nennen die Villa ›das Schlößchen‹, im Gegensatz zum großen Schloß von Sancerre, das oben auf dem Hügel steht … Von hier aus kann man nur die Türmchen sehen. Der Park da ist sehr schön. Früher, als das ›Hôtel de la Loire‹ noch nicht existierte,
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