Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
erstreckte er sich bis zu der Ecke hier, und das große schmiedeeiserne Portal befand sich hinten, am Ende des Brennesselwegs. Das Portal steht zwar noch, wird aber schon lange nicht mehr benutzt, weil man seither fünfhundert Meter weiter vorn ein neues Tor herausgebrochen hat.
    Wie gesagt, ich gab Monsieur Clement das blaue Zimmer am Brennesselweg, weil es dort ruhig ist. Kein Mensch geht dort vorbei. Es ist eine Sackgasse, weiter nichts.
    Am Nachmittag kam er zurück und fragte, ob ich kein Zimmer mit Blick auf den Hof hätte. Warum, weiß ich nicht … Außerdem war nichts frei. Im Winter kann man sich sein Zimmer aussuchen, weil wir dann nur Stammgäste haben, Handlungsreisende, die hier immer um die gleiche Jahreszeit die Runde machen. Im Sommer dagegen! … Sie werden es nicht für möglich halten, aber im Sommer kommen eine Menge Gäste aus Paris! Es geht eben nichts über die Luft an der Loire …
    Doch wie auch immer, ich erklärte Monsieur Clement, es sei unmöglich, und sein Zimmer sei das angenehmste im ganzen Haus.
    Im Hof dagegen lärmen Hühner und Gänse. Aus dem Sodbrunnen wird den ganzen Tag Wasser geschöpft, und man kann die Kette noch so lange einfetten, sie quietscht und knarrt von früh bis spät.
    Er bestand nicht länger darauf. Aber nehmen wir einmal an, ich hätte ein Zimmer über dem Hof frei gehabt … Er wäre nicht gestorben!«
    »Warum nicht?« murmelte Maigret.
    »Hat man Ihnen nicht gesagt, daß der Schuß aus mindestens sechs Metern Distanz abgegeben wurde? Das Zimmer ist aber nur fünf Meter tief. Somit muß der Mörder draußen gestanden haben … Der Brennesselweg war menschenleer, und der Mörder nutzte diese Chance. Vom Hof aus hätte er nicht schießen können. Man hätte ihn gehört und gesehen … Noch ein Gläschen, Messieurs? Sie sind meine Gäste …«
    »Macht zwei«, bemerkte der Kommissar.
    »Zwei was?« fragte Grenier verwundert.
    »Zwei Zufälle. Erstens das Fest, das den Schuß übertönte. Zweitens die Tatsache, daß alle Zimmer auf der Hofseite besetzt waren.«
    Er wandte sich wieder an Monsieur Tardivon, der mit dem Auffüllen der drei Gläser beschäftigt war.
    »Wie viele Gäste wohnen zur Zeit im Hotel?«
    »Vierunddreißig, die Kinder mitgerechnet.«
    »Ist seit dem Mord niemand abgereist?«
    »Nur die sieben Personen, von denen ich Ihnen erzählt habe. Eine Familie aus der Pariser Banlieue, Saint-Denis, glaube ich. Ein Mechaniker mit Frau, Schwiegermutter, Schwägerin und Kindern. Eher gewöhnliche Leute unter uns gesagt. Schlechte Manieren. Ich war nicht unglücklich, als sie ins ›Commerce‹ überwechselten. Na ja, jeder hat die Kundschaft, die er verdient … Bei uns verkehren nur einwandfreie Leute, das wird Ihnen jedermann bestätigen.«
    »Wie verbrachte Monsieur Clément den Tag, wenn er hier war?«
    »Schwer zu sagen. Er verließ das Hotel zu Fuß … Eine Zeitlang dachte ich, er hätte irgendwo in der Nähe ein uneheliches Kind. Eine reine Vermutung. Man macht sich unwillkürlich so seine Gedanken, verstehen Sie? Er war immer sehr höflich, aber irgendwie bedrückt. Ich habe ihn auch nie am Tisch der Stammgäste essen sehen. Im Winter haben wir nämlich einen Tisch für Stammgäste. Aber er saß lieber allein in einer Ecke …«
    Maigret hatte ein billiges Heft mit schwarzer Wachstuchhülle aus der Tasche gezogen. Er notierte:
    1. Telegramm Rouen
    2. Telegramm Niel & Co.
    3. Hof besichtigen
    4. Auskünfte über Villa Saint-Hilaire
    5. Fingerabdrücke auf Messer
    6. Gästeliste
    7. Mechanikerfamilie im ›Hôtel du Commerce‹
    8. Wer hat Sancerre am Sonntag, 26. verlassen?
    9. Öffentlich Belohnung ausrufen für jeden, der Gallet am Samstag, 25. gesehen hat.
    Sein Kollege aus Nevers beobachtete ihn mit gezwungenem Lächeln.
    »Nun? Haben Sie schon einen bestimmten Verdacht?«
    »Sowenig wie Sie. Muß bloß noch zwei Telegramme aufgeben, dann geh ich schlafen.«
    Im Café hielten sich nur noch ein paar einheimische Gäste auf, die ihre Billardpartie zu Ende spielten. Maigret schlenderte bis zur Hausecke, warf einen Blick auf den Brennesselweg. Hier also hatte sich einst die Hauptallee des Herrensitzes befunden. Zwei Reihen von prachtvollen Eichen waren das einzige, was davon übriggeblieben war.
    Der Weg versank in dichtem Unkraut und Gestrüpp. Mehr konnte man in der Finsternis nicht erkennen.
    Maigret kehrte zurück, um sich von Grenier zu verabschieden, der sich zum Gehen anschickte.
    »Viel Glück! Im Vertrauen gesagt, das ist eine kleine,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher