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Maigret und der gelbe Hund

Maigret und der gelbe Hund

Titel: Maigret und der gelbe Hund
Autoren: Georges Simenon
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und es wurde von einem Dampfer erzählt, der draußen bei den Glénan-Inseln in Seenot war.
    Maigret stieg natürlich im Hôtel de l’Amiral ab, dem besten der Stadt. Es war fünf Uhr nachmittags, und die Nacht war schon hereingebrochen, als er das Café betrat, einen langgestreckten, ziemlich düsteren Raum mit grauem Fußboden, der mit Sägemehl bestreut war, und mit Marmortischen, die durch die grünen Fensterscheiben noch trüber wirkten.
    Mehrere Tische waren besetzt. Auf den ersten Blick jedoch erkannte man jenen der Stammkundschaft, seriöser Gäste, deren Gespräch die übrigen mitzuhören versuchten.
    Nun erhob sich jemand an diesem Tisch, ein Mann mit pausbäckigem Gesicht, Kulleraugen und einem Lächeln auf den Lippen.
    »Kommissar Maigret? Der Bürgermeister, ein guter Freund von mir, hat mir Ihr Kommen angekündigt. Ich habe schon oft von Ihnen gehört … Erlauben Sie, daß ich mich vorstelle … Jean Servières … äh … Sie sind aus Paris, nicht wahr? … Ich auch! Ich war lange Zeit Direktor des Cabarets Vache-Rousse auf dem Montmartre. Ich war Mitarbeiter beim Petit Parisien , beim Excelsior und bei La Dépêche . Einen Ihrer Vorgesetzten habe ich gut gekannt, den guten Bertrand, der letztes Jahr in Pension gegangen ist, um sich im Departement Nièvre aufs Land zurückzuziehen. Auch ich habe es so gemacht! Ich habe mich sozusagen aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Aus reinem Vergnügen arbeite ich beim Phare de Brest mit …«
    Er tänzelte und gestikulierte.
    »Kommen Sie doch, damit ich Ihnen unsere Runde vorstellen kann … Das letzte Fleckchen für lustige Burschen aus Concarneau … Das ist Le Pommeret, der unverbesserliche Schürzenjäger, Rentner von Beruf und Vizekonsul von Dänemark …«
    Der Mann, der aufstand und die Hand ausstreckte, war gekleidet wie ein Landjunker: karierte Reiterhosen, eng anliegende Gamaschen ohne auch nur einen Schlammspritzer, Vorhemd mit Krawatte aus weißem Pikee. Er hatte einen hübschen silbrigen Schnurrbart, sorgfältig geglättetes Haar, eine helle Gesichtsfarbe und vom Kupferausschlag rot gezeichnete Wangen.
    »Sehr erfreut, Kommissar …«
    Und Jean Servières fuhr fort:
    »Doktor Michoux … Sohn des ehemaligen Abgeordneten … Arzt ist er übrigens nur auf dem Papier, denn er hat noch nie praktiziert. Sie werden sehen, er wird Ihnen zu guter Letzt noch Land verkaufen. Ihm gehören die schönsten Grundstücksparzellen von Concarneau und vielleicht sogar der Bretagne …«
    Eine kalte Hand. Ein Gesicht, schmal wie ein Messer, mit schiefer Nase. Totes, schon spärliches Haar, obwohl der Doktor noch nicht fünfunddreißig war.
    »Was trinken Sie?«
    Währenddessen hatte sich Inspektor Leroy zum Rathaus und zur Gendarmerie begeben, um Erkundigungen einzuziehen.
    Die Atmosphäre des Cafés hatte etwas Graues, Trübes, ohne daß es möglich gewesen wäre, genau zu bestimmen was. Durch eine offene Tür hindurch war der Speisesaal zu sehen, wo die Serviererinnen in bretonischer Tracht die Tische für das Abendessen deckten.
    Maigrets Blick fiel auf einen gelben Hund, der am Fuß der Kasse lag. Er blickte auf und sah einen schwarzen Rock, eine weiße Schürze, ein Gesicht ohne jeden Liebreiz, das dennoch so anziehend war, daß er es während des Gesprächs, das nun folgte, fortwährend betrachtete.
    Und jedesmal, wenn er den Kopf abwandte, starrte ihn das Serviermädchen mit fieberndem Blick an.
     
    »Wenn der arme Mostaguen, der, abgesehen davon, daß er eine Heidenangst vor seiner Frau hat, der beste Kerl auf der Welt ist, nicht um ein Haar hätte dran glauben müssen, so würde ich schwören, daß es sich um einen üblen Scherz handelt …«
    Es war Servières, der sprach. Le Pommeret rief:
    »Emma!«
    Das Serviermädchen trat näher:
    »Nun? Was nehmen Sie?«
    Auf dem Tisch standen leere Halbe.
    »Es ist Zeit für einen Aperitif!« bemerkte der Journalist. »Anders gesagt, Zeit für einen Pernod … Pernod, Emma … Einverstanden, Kommissar?«
    Mit versunkener Miene betrachtete Doktor Michoux seinen Manschettenknopf.
    »Wer hätte voraussehen können, daß Mostaguen auf der Schwelle haltmachen würde, um sich eine Zigarre anzuzünden?« fuhr Servières mit sonorer Stimme fort. »Niemand, oder? Und Le Pommeret und ich wohnen auf der anderen Seite der Stadt! An dem Haus kommen wir überhaupt nicht vorbei! Zu dieser Zeit gehen nur noch wir drei durch die Straßen … Mostaguen hat keine Feinde … Er ist eine gute Haut … Ein Bursche, dessen ganzer
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