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Maigret und der gelbe Hund

Maigret und der gelbe Hund

Titel: Maigret und der gelbe Hund
Autoren: Georges Simenon
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Ehrgeiz darauf gerichtet ist, eines Tages den Orden der Ehrenlegion zu bekommen …«
    »Ist die Operation geglückt?«
    »Er wird davonkommen. Das Kurioseste ist, daß seine Frau ihm im Krankenhaus eine Szene gemacht hat, da sie nämlich überzeugt ist, daß es sich um eine Liebesaffäre handelt! Können Sie sich das vorstellen? Der Ärmste hätte es nicht einmal gewagt, seine Sekretärin zu streicheln, aus Furcht vor Komplikationen!«
    »Einen Doppelten!« sagte Le Pommeret zu dem Serviermädchen, das den dem Absinth nachgeahmten Pernod einschenkte. »Bring Eis, Emma.«
    Gäste gingen hinaus, denn es war Zeit zum Abendessen. Ein Windstoß fuhr durch die offene Tür herein und hob die Tischtuchenden im Speisesaal.
    »Sie müssen den Bericht lesen, den ich darüber geschrieben und in dem ich meiner Meinung nach alle Hypothesen geprüft habe. Eine einzige ist plausibel: Nämlich, daß wir es mit einem Wahnsinnigen zu tun haben … Allerdings wüßten wir, die wir die ganze Stadt kennen, nicht, wer den Verstand verloren haben könnte … Wir sind jeden Abend hier. Hin und wieder spielt der Bürgermeister eine Partie mit uns. Oder auch Mostaguen. Oder wir holen auch mal den Uhrmacher, der ein paar Häuser weiter wohnt, zum Bridge ab.«
    »Und der Hund?«
    Der Journalist machte eine Geste der Unwissenheit.
    »Kein Mensch weiß, wo der herkommt. Eine Weile hat man geglaubt, daß er einem Küstenfahrer gehört, der gestern eingelaufen ist. Die Sainte-Marie . Anscheinend doch nicht. Zwar ist ein Hund an Bord, aber es handelt sich um einen Neufundländer, und ich wette, daß kein Mensch sagen könnte, zu welcher Rasse dieses entsetzliche Vieh gehört …«
    Während er redete, griff er nach einer Karaffe mit Wasser und goß davon Maigret ein.
    »Ist das Serviermädchen schon lange hier?« fragte der Kommissar halblaut.
    »Seit Jahren …«
    »Sie ist gestern abend nicht hinausgegangen?«
    »Sie hat sich nicht vom Fleck gerührt … Sie wartete darauf, daß wir aufbrechen würden, um schlafen zu gehen. Le Pommeret und ich frischten alte Erinnerungen auf, Erinnerungen aus der guten alten Zeit, als wir noch so gut aussahen, daß wir uns den Frauen ohne Geld anbieten konnten … Stimmt’s, Le Pommeret? … Er sagt nichts! Wenn Sie ihn einmal besser kennen, so werden Sie verstehen, daß er, sobald es um die Frauen geht, Manns genug ist, um die Nacht durchzumachen … Wissen Sie, wie wir das Haus vor der Fischhalle nennen, wo er wohnt? … Das ›Haus der Schandtaten‹ … äh …«.
    »Auf Ihr Wohl, Kommissar,« sagte nicht gerade ungeniert jener, von dem die Rede war.
    Im selben Augenblick fiel Maigret auf, daß Doktor Michoux, der kaum den Mund aufgetan hatte, sich nach vorn beugte, um sein Glas gegen das Licht zu betrachten. Seine Stirn lag in Falten. In seinem Gesicht, das von Natur aus blaß war, lag ein auffallender Ausdruck von Beunruhigung.
    »Einen Augenblick!« warf er auf einmal ein, nachdem er lange gezögert hatte.
    Er hielt sich das Glas unter die Nase, tauchte einen Finger hinein, den er mit der Zungenspitze leicht berührte. Servières brach in schallendes Gelächter aus.
    »Du meine Güte! Läßt der sich von der Geschichte mit Mostaguen doch tatsächlich verrückt machen …«
    »Was ist?« fragte Maigret.
    »Ich glaube, wir trinken besser nicht … Emma! Geh mal zum Apotheker nebenan und sag ihm, er soll herkommen … Auch wenn er schon bei Tisch ist …«
    Es war wie eine kalte Dusche. Der Schankraum wirkte leerer, noch düsterer als zuvor. Le Pommeret zog nervös an seinem Schnurrbart herum. Der Journalist selbst wurde auf seinem Stuhl unruhig.
    »Was meinst du?« Der Arzt machte ein finsteres Gesicht. Er starrte noch immer sein Glas an. Er stand auf und nahm die Flasche Pernod selbst aus dem Wandschrank, betrachtete sie im Licht von allen Seiten, und Maigret sah zwei oder drei kleine weiße Kristalle, die auf der Flüssigkeit schwammen.
    Das Serviermädchen kam wieder, gefolgt vom Apotheker, der noch kaute.
    »Hören Sie mal, Kervidon … Sie müssen uns unverzüglich den Inhalt dieser Flasche und der Gläser analysieren …«
    »Heute?«
    »Jetzt gleich!«
    »Welche Probe soll ich machen? Was meinen Sie?«
    Noch nie zuvor hatte Maigret den bleichen Schatten der Angst so rasch anwachsen sehen. Einige Augenblicke hatten genügt. Alle Wärme war aus den Blicken verschwunden, und das Kupferrot auf den Wangen von Le Pommeret schien etwas Künstliches zu haben.
    Das Serviermädchen hatte sich mit den Ellbogen
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