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Maigret und der gelbe Hund

Maigret und der gelbe Hund

Titel: Maigret und der gelbe Hund
Autoren: Georges Simenon
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sagte er zu ihr.
     
    Als der Kommissar nach unten ging, hielt er sich für den ersten, der aufgestanden war, so sehr war der Himmel von Wolken verdunkelt. Vom Fenster aus hatte er den menschenleeren Hafen gesehen, wo ein einsamer Kran einen Sandfrachter entlud. Auf den Straßen ein paar Leute mit Regenschirmen und Regenmänteln, die dicht an den Häuserwänden entlanghuschten.
    In der Mitte der Treppe begegnete er einem Vertreter, der gerade eintraf und dessen Koffer von einem Dienstmann getragen wurde.
    Emma kehrte den Saal im Erdgeschoß. Auf einem Marmortisch stand eine Tasse mit einem Rest Kaffee.
    »Wo ist mein Inspektor?« fragte Maigret.
    »Er hat mich schon vor einiger Zeit nach dem Weg zum Bahnhof gefragt, um ein dickes Paket hinzubringen.«
    »Und der Doktor?«
    »Ich habe ihm sein Frühstück hinaufgebracht … Er ist krank … Er will nicht herauskommen.«
    Und wieder kehrte der Besen den mit Sägemehl vermischten Staub auf.
    »Was möchten Sie?«
    »Schwarzen Kaffee.«
    Sie mußte ganz dicht an ihm vorbeigehen, um in die Küche zu gelangen. In diesem Augenblick packte er sie mit seinen großen Händen an den Schultern, blickte ihr in die Augen, barsch und herzlich zugleich.
    »Raus mit der Sprache, Emma!«
    Sie versuchte mit einer schüchternen Bewegung freizukommen, hielt still, bebend, und machte sich so klein wie möglich.
    »Unter uns gesagt, was weißt du? … Sei still … Du lügst ja doch! Du bist ein armes, kleines Ding, und ich habe keine Lust, dich in Schwierigkeiten zu bringen. Sieh mich an! Die Flasche … Stimmt’s? Rede schon, jetzt …«
    »Ich schwöre Ihnen …«
    »Du brauchst nicht zu schwören.«
    »Ich war es nicht!«
    »Das weiß ich auch, zum Donnerwetter, daß du es nicht warst! Aber wer war es?«
    Mit einmal schwollen ihre Lider an. Tränen quollen hervor. Ihre Unterlippe bebte krampfhaft, und so bot das Serviermädchen einen derart ergreifenden Anblick, daß Maigret sie losließ.
    »Der Doktor … letzte Nacht?«
    »Nein! Nicht das, woran Sie denken …«
    »Was wollte er?«
    »Er hat mich dasselbe gefragt wie Sie … Er hat mir gedroht … Er wollte, daß ich ihm sage, wer die Flasche angerührt hat … Er hat mich beinahe geschlagen … Und ich habe doch keine Ahnung … Bei allem was mir heilig ist, ich schwöre, daß …«
    »Bring mir meinen Kaffee.«
    Es war acht Uhr morgens. Maigret ging Tabak kaufen, machte einen Rundgang durch die Stadt. Als er gegen zehn wiederkam, saß der Arzt im Café, in Hausschuhen, ein Foulard anstelle des falschen Kragens um den Hals. Seine Züge waren abgespannt, sein rotes Haar schlecht gekämmt.
    »Sie sehen nicht aus, als ob Sie sich wohl fühlten …«
    »Ich bin krank … Ich hätte es kommen sehen müssen … Es sind die Nieren … Sobald mir das Geringste zustößt, eine Unannehmlichkeit, eine Aufregung, dann wirkt sich das so aus. Ich habe die Nacht kein Auge zugetan.«
    Er ließ keinen Blick von der Tür.
    »Gehen Sie nicht nach Hause?«
    »Es ist niemand dort. Hier werde ich besser gepflegt.«
    Er hatte alle Morgenzeitungen holen lassen; sie lagen auf dem Tisch.
    »Haben Sie meine Freunde nicht gesehen? … Servières? … Le Pommeret? … Es ist seltsam, daß sie nicht gekommen sind, um Neues zu erfahren …«
    »Ach was, sicher schlafen sie noch«, seufzte Maigret. »Übrigens, diesen fürchterlichen gelben Hund habe ich nicht gesehen … Emma! Haben Sie vielleicht den Hund wiedergesehen? … Nein? Da kommt Leroy, vielleicht ist er ihm auf der Straße begegnet. Was gibt’s Neues, Leroy?«
    »Die Flakons und die Gläser sind auf dem Weg zum Labor. Ich habe bei der Gendarmerie und beim Rathaus vorbeigeschaut. Sie haben von diesem Hund gesprochen, ja? Ein Bauer hat ihn anscheinend heute morgen im Garten von Monsieur Michoux gesehen …«
    »In meinem Garten?«
    Der Arzt war aufgestanden. Seine weißen Hände bebten.
    »Was machte er in meinem Garten?«
    »Nach dem, was mir erzählt wurde, lag er am Eingang des Hauses, und als der Bauer näher gekommen ist, hat er so sehr geknurrt, daß der Mann lieber das Weite gesucht hat …«
    Maigret beobachtete die Gesichter aus dem Augenwinkel.
    »Was meinen Sie, Doktor, sollen wir nicht gemeinsam zu Ihnen nach Hause gehen?«
    Ein gezwungenes Lächeln:
    »Bei diesem Regen? In meinem Zustand? Das würde mir mindestens acht Tage Bettruhe einbringen … Was hat dieser Hund schon zu bedeuten! Sicher ein ganz gewöhnlicher streunender Hund …«
    Maigret setzte seinen Hut auf und zog seinen Mantel
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