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Maigret und der gelbe Hund

Maigret und der gelbe Hund

Titel: Maigret und der gelbe Hund
Autoren: Georges Simenon
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mustergültige Verpackung anzufertigen, deren Schema er in der Tasche hatte und die dazu erdacht worden war, Gegenstände zu versenden, ohne die Fingerabdrücke zu verwischen.
    Maigret hatte in einer Ecke des Cafés Platz genommen. Der Wirt in weißem Kittel und mit einer Kochsmütze auf dem Kopf betrachtete sein Haus mit einem Blick, als sei es von einem Wirbelsturm verwüstet worden.
    Der Apotheker hatte geredet. Draußen hörte man die Leute flüstern. Jean Servières setzte als erster den Hut auf.
    »Das hier ist nicht alles! Ich bin verheiratet, und Madame Servières wartet auf mich! Bis gleich, Kommissar …«
    Le Pommeret hielt in seinem Hin- und Hergehen inne.
    »Warte auf mich! Ich gehe auch zum Abendessen … Bleibst du, Michoux?«
    Der Arzt antwortete bloß mit einem Achselzucken. Der Apotheker wollte sich unbedingt in den Vordergrund spielen. Maigret hörte, wie er zum Wirt sagte:
    »… und daß es wohlgemerkt notwendig ist, den Inhalt aller Flaschen zu analysieren! Da schließlich jemand von der Polizei hier ist, braucht er mir nur den entsprechenden Befehl zu erteilen …«
    Mehr als sechzig Flaschen mit verschiedenen Aperitifs und Likören standen im Wandschrank.
    »Was halten Sie davon, Kommissar?«
    »Das ist eine Idee … Ja, das ist vielleicht gar nicht so dumm …«
    Der Apotheker war klein, hager und nervös. Er bewegte sich dreimal soviel hin und her, wie notwendig gewesen wäre. Man mußte einen Flaschenkorb für ihn holen. Dann rief er ein Café in der Altstadt an, damit man seinem Gehilfen ausrichte, daß er ihn brauche.
    Mit bloßem Kopf legte er geschäftig fünf- oder sechsmal den Weg vom Hôtel de l’Amiral zu seinem Labor zurück, wobei er jedoch die Zeit fand, den Neugierigen, die auf dem Bürgersteig versammelt waren, ein paar Worte zu sagen.
    »Was soll ich bloß machen, wenn man mir alle Getränke fortschleppt?« seufzte der Wirt. »Und kein Mensch kommt auf den Gedanken, etwas zu essen! Nehmen Sie kein Abendessen, Kommissar? … Und Sie, Doktor? … Gehen Sie nach Hause?«
    »Nein … Meine Mutter ist in Paris … Das Dienstmädchen hat Urlaub …«
    »Sie übernachten also hier.«
     
    Es regnete. Die Straßen waren voll von schwarzem Morast. Der Wind rüttelte an den Fensterläden des ersten Stockwerks. Maigret hatte im Speisesaal zu Abend gegessen, nicht weit von jenem Tisch, an welchem der Arzt mit finsterer Miene Platz genommen hatte.
    Durch die kleinen, grünen Fensterscheiben hindurch erahnte man draußen die Köpfe der Neugierigen, die hin und wieder ihr Gesicht an die Scheiben drückten. Das Serviermädchen war für eine halbe Stunde fortgewesen, um selber zu Abend zu essen. Danach hatte sie ihren gewohnten Platz rechts von der Kasse wieder eingenommen, einen Ellbogen daraufgestützt, eine Serviette in der Hand.
    »Bringen Sie mir eine Flasche Bier«, sagte Maigret.
    Er spürte ganz deutlich, daß der Arzt ihn beim Trinken beobachtete, und danach so, als warte er auf die Symptome der Vergiftung.
    Jean Servières kam nicht zurück, obwohl er es angekündigt hatte. Auch Le Pommeret nicht. Somit blieb das Café leer, denn die Leute zogen es vor, nicht hereinzukommen, und erst recht, nicht zu trinken. Draußen wurde behauptet, daß alle Flaschen vergiftet gewesen seien.
    »Es hätte gereicht, um die ganze Stadt damit umzubringen!«
    Von seiner Villa in Sables Blancs rief der Bürgermeister an, um zu erfahren, was denn los sei. Danach herrschte düstere Stille.
    Doktor Michoux in der Ecke blätterte die Zeitungen durch, ohne sie zu lesen. Das Serviermädchen rührte sich nicht vom Fleck. Maigret rauchte, gelassen, und hin und wieder kam der Wirt und vergewisserte sich mit einem Blick, daß sich kein weiteres Unglück ereignet hatte.
    Man hörte die Turmuhr der Altstadt die vollen und die halben Stunden schlagen. Das Getrappel und Getuschel auf dem Bürgersteig nahm ein Ende, und es war nur noch das monotone Klagen des Windes, das Trommeln des Regens auf die Scheiben zu hören.
    »Übernachten Sie hier?« fragte Maigret den Arzt.
    Es war so still, daß lautes Sprechen schon als Belästigung empfunden wurde.
    »Ja … Das kommt ab und zu vor. Ich wohne mit meiner Mutter zusammen, drei Kilometer vor der Stadt … Eine riesige Villa … Meine Mutter ist für ein paar Tage nach Paris gefahren, und das Dienstmädchen hat mich um Urlaub gebeten, um zur Hochzeit ihres Bruders gehen zu können.«
    Er stand auf, zögerte, sagte ziemlich unvermittelt:
    »Gute Nacht.«
    Und er verschwand
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