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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel
Autoren: Georges Simenon
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Waschbecken, das er in einem Wandschrank entdeckt hatte, und der Protokollführer des Untersuchungsrichters gab sich keine Mühe, seine Müdigkeit zu verbergen.
    Trotz der allgemeinen Unruhe hatte Maigret einige Augenblicke lang so etwas wie eine stumme Zwiesprache mit dem Toten.
    Ein kräftiger Mann, untersetzt und eher rundlich. Ebenso wie Nine war er zweifellos immer ein wenig gewöhnlich geblieben, trotz seiner gutgeschnittenen Anzüge, seiner gepflegten Fingernägel und seiner nach Maß gefertigten Hemden. Sein blondes Haar lichtete sich schon. Seine Augen waren blau und hatten sicherlich einen etwas kindlichen Ausdruck gehabt.
    »Ein wirklich feiner Kerl!« hörte Maigret eine Stimme hinter sich seufzen.
    Es war Nine, die vor Rührung weinte und sich Maigret anvertraute, wohl, weil sie die unnahbaren Beamten der Staatsanwaltschaft nicht ansprechen mochte.
    »Ich schwöre Ihnen, er war ein feiner Kerl! Sobald er den Eindruck hatte, daß irgend etwas mir gefallen könnte … Und nicht nur mir, egal wem! Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der so viel Trinkgeld gab wie er! Manchmal war ich ihm richtig böse deswegen. Ich sagte ihm, daß man ihn für einen Trottel halten würde. Aber er antwortete nur: ›Was macht das schon?‹«
    Der Kommissar fragte ernst:
    »War Couchet ein fröhlicher Mensch?«
    »Eher fröhlich, ja … Aber im Grunde doch nicht. Verstehen Sie? Das ist schwer zu erklären. Er mußte immer etwas unternehmen, irgend etwas tun … Wenn er irgendwo saß und nichts tat, wurde er trübsinnig und unruhig …«
    »Und seine Frau?«
    »Ich habe sie nur einmal gesehen, von weitem. Ich kann nichts Nachteiliges über sie sagen …«
    »Wo wohnte Couchet?«
    »Auf dem Boulevard Haussmann. Aber meistens fuhr er nach Meulan. Er hat dort eine Villa …«
    Maigret drehte sich plötzlich um und erblickte die Concierge, die nicht einzutreten wagte und ihm Zeichen gab. Dabei machte sie ein noch unglücklicheres Gesicht als sonst.
    »Passen Sie auf, er kommt herunter …«
    »Wer?«
    »Monsieur de Saint-Marc … Bestimmt hat er all den Lärm gehört. Da ist er schon. Und das an einem Tag wie heute! Stellen Sie sich das einmal vor …«
    Der ehemalige Botschafter trug einen Morgenrock und zögerte hereinzukommen. Ihm war nicht verborgen geblieben, daß die Staatsanwaltschaft hergekommen war. Außerdem war die Leiche auf einer Bahre an ihm vorbeigetragen worden.
    »Was gibt es?« fragte er Maigret.
    »Ein Mann ist umgebracht worden. Couchet, der Inhaber der Arzneimittelfirma …«
    Der Kommissar hatte den Eindruck, daß seinem Gesprächspartner plötzlich ein Gedanke durch den Kopf ging, so als erinnerte er sich an irgend etwas.
    »Kannten Sie ihn?«
    »Nein. Das heißt, ich habe von ihm gehört …«
    »Und?«
    »Nichts. Ich weiß nichts. Um wieviel Uhr war … Ich meine, wann hat …«
    »Der Mord muß zwischen acht und neun Uhr begangen worden sein.«
    Monsieur de Saint-Marc seufzte, strich sich das graue Haar glatt, nickte Maigret zu und wandte sich zur Treppe, die zu seiner Wohnung führte.
    Die Concierge hatte sich abseits gehalten. Dann sprach sie mit jemandem, der mit gesenktem Kopf in der Toreinfahrt auf und ab ging. Als sie zurückkam, fragte der Kommissar sie:
    »Wer war das?«
    »Monsieur Martin. Er sucht einen Handschuh, den er verloren hat. Sie müssen wissen, daß er niemals ohne Handschuhe ausgeht, selbst wenn er nur fünfzig Meter weiter Zigaretten holt.«
    Monsieur Martin ging nun um die Müllkästen herum, zündete einige Streichhölzer an, gab schließlich auf und ging wieder nach oben.
    Im Hof verabschiedeten sich die Beamten der Staatsanwaltschaft voneinander. Der Untersuchungsrichter wandte sich noch einmal kurz an Maigret.
    »Ich überlasse Sie jetzt wieder Ihrer Arbeit. Sie werden mich natürlich auf dem laufenden halten …«
    Monsieur Philippe verbeugte sich vor dem Kommissar, immer noch korrekt, wie einem Modejournal entsprungen.
    »Brauchen Sie mich noch?«
    »Ich werde Sie morgen aufsuchen. Sie sind doch in Ihrem Büro?«
    »Wie immer. Punkt neun.«
    Unvermutet trat eine Situation ein, die einem naheging, obwohl nicht das mindeste geschah. Der Hof war immer noch in Dunkelheit getaucht. Dahinter die Tordurchfahrt mit ihrer verstaubten Glühbirne.
    Draußen wurden Autos angelassen, glitten über den Asphalt und streiften einen Augenblick lang mit ihren Scheinwerfern die Bäume der Place des Vosges.
    Der Tote war nicht mehr da. Das Büro war wie ausgeplündert. Niemand hatte daran
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