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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel
Autoren: Georges Simenon
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gedacht, das Licht auszumachen, und das Laboratorium war hell erleuchtet wie für eine Nachtschicht.
    Sie fanden sich zu dritt in der Mitte des Hofes, drei ungleiche Menschen, die sich vor einer Stunde noch nicht gekannt hatten und die dennoch ein mysteriöses Band zu vereinen schien.
    Mehr noch: sie glichen Familienangehörigen, die nach einer Beerdigung allein zurückbleiben, wenn die Gleichgültigen gegangen sind!
    Maigret hatte jedenfalls einen Augenblick lang dieses Gefühl, als er nacheinander das verstörte Gesicht Nines und die verhärmten Züge der Concierge betrachtete.
    »Haben Sie Ihre Kinder ins Bett gebracht?«
    »Ja, aber sie schlafen nicht. Sie sind unruhig. Beinahe so, als spürten sie etwas …«
    Madame Bourcier wollte noch eine Frage loswerden, eine Frage, derer sie sich beinahe schämte, die aber äußerst wichtig für sie war.
    »Glauben Sie, daß …«
    Ihr Blick wanderte über den Hof und schien an allen dunklen Fenstern haften zu bleiben.
    »… daß es jemand aus dem Haus war?«
    Und nun blickte sie auf die Toreinfahrt, auf dieses große Portal, das – jedenfalls bis elf Uhr abends – immer offen war, das den Hof mit der Straße verband und jedem Fremden den Zugang zum Gebäude ermöglichte.
    Nine hatte eine verkrampfte Haltung eingenommen. Von Zeit zu Zeit warf sie dem Kommissar einen verstohlenen Blick zu.
    »Die Untersuchung wird sicherlich eine Antwort auf Ihre Frage geben, Madame Bourcier. Im Augenblick scheint nur eines sicher zu sein, nämlich, daß derjenige, der die dreihundertsechzigtausend Francs gestohlen hat, nicht der Mörder Couchets ist … Das wäre zumindest unwahrscheinlich, denn Monsieur Couchet versperrte den Geldschrank mit seinem Rücken … Übrigens, haben Sie heute abend Licht im Laboratorium gesehen?«
    »Warten Sie … Ich glaube ja. Aber es war nicht so hell wie jetzt. Monsieur Couchet hat wohl nur eine Lampe oder auch zwei angemacht, um zur Toilette am anderen Ende des Gebäudes zu gehen …«
    Maigret ging noch einmal hinein und schaltete alle Lampen aus, während die Concierge auf der Schwelle stehenblieb, obwohl die Leiche nicht mehr da war. Im Hof traf er auf Nine, die auf ihn gewartet hatte. Irgendwo über seinem Kopf hörte er ein Geräusch, das Geräusch eines Gegenstandes, der eine Fensterscheibe streift.
    Aber alle Fenster waren geschlossen, alle Lichter erloschen.
    Irgend jemand hatte sich bewegt, irgendwer wachte im Dunkel eines Zimmers.
    »Bis morgen, Madame Bourcier … Ich bin morgen früh wieder hier, bevor das Büro aufmacht.«
    »Ich komme mit Ihnen! Ich muß noch die Toreinfahrt schließen.«
    Als sie auf die Straße traten, sagte Nine leise:
    »Ich dachte, Sie wären mit dem Wagen da.«
    Sie konnte sich nicht entschließen, sich von ihm zu trennen. Sie blickte zu Boden und fragte:
    »In welcher Richtung wohnen Sie?«
    »Nur ein paar Schritte von hier, am Boulevard Richard-Lenoir.«
    »Jetzt fährt wohl keine Metro mehr, oder?«
    »Ich glaube kaum.«
    »Ich muß Ihnen noch etwas gestehen.«
    »Ich höre.«
    Sie wagte immer noch nicht, ihn anzusehen. Hinter ihnen hörte man, wie die Concierge die Riegel vorschob, und dann ihre Schritte, als sie zu ihrer Loge zurückging. Auf der Place des Vosges war keine Menschenseele. Die Springbrunnen rauschten. Die Uhr des Bezirksamtes schlug eins.
    »Sie finden sicher, daß ich zu weit gehe … Ich weiß nicht, was Sie von mir denken werden. Ich hatte Ihnen erzählt, daß Raymond sehr großzügig war. Geld spielte für ihn keine Rolle, und er gab mir, was ich wollte … Verstehen Sie?«
    »Und?«
    »Es ist lächerlich, aber ich verlangte so wenig von ihm wie eben möglich. Ich wartete immer, bis er selbst daran dachte. Außerdem war er ja fast immer mit mir zusammen, so daß ich nie etwas brauchte. Heute abend wollten wir zusammen essen gehen. Und nun …«
    »Abgebrannt?«
    »So habe ich das nicht gemeint!« protestierte sie. »Es ist noch dümmer! Ich hatte vor, ihn heute abend um Geld zu bitten. Heute mittag hatte ich nämlich noch eine Rechnung bezahlt …«
    Sie druckste herum. Heimlich beobachtete sie Maigret, bereit, beim ersten Anzeichen eines Lächelns aufzugeben.
    »Ich hatte mir nie vorgestellt, daß er einmal nicht kommen würde. Ein bißchen Geld hatte ich noch in der Tasche. Als ich im Select auf ihn wartete, habe ich ein paar Austern gegessen, dann Languste. Ich habe versucht, ihn anzurufen. Als ich hier ankam, merkte ich, daß ich gerade noch das Taxi bezahlen konnte.«
    »Und zu
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