Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Hause?«
    »Ich wohne im Hotel …«
    »Ich meine, ob Sie etwas Geld zur Seite gelegt haben?«
    »Ich?«
    Ein kleines, nervöses Lachen.
    »Wozu? Konnte ich das voraussehen? Und selbst wenn ich es gewußt hätte, hätte ich nicht gewollt …«
    Maigret seufzte.
    »Kommen Sie mit mir zum Boulevard Beaumarchais; nur da finden Sie um diese Zeit noch ein Taxi. Was werden Sie jetzt anfangen?«
    »Nichts, ich …«
    Dennoch schauderte sie. Sie hatte allerdings auch nur ein Seidenkleid an.
    »Hat er kein Testament gemacht?«
    »Was weiß denn ich? Glauben Sie, man kümmert sich um solche Sachen, solange alles gutgeht? Raymond war ein feiner Kerl; ich …«
    Beim Gehen weinte sie lautlos. Der Kommissar schob ihr einen Hundertfrancschein in die Hand, gab einem vorbeifahrenden Taxi ein Zeichen und brummte, während er die Fäuste tief in die Taschen steckte:
    »Dann also bis morgen … Sie hatten doch Hotel Pigalle gesagt, nicht wahr?«
    Als er sich ins Bett legte, wachte Madame Maigret nur für einen Augenblick auf und murmelte im Halbschlaf:
    »Hast du wenigstens zu Abend gegessen?«
    3
    Das Pärchen vom Pigalle
    A
    ls Maigret am nächsten Morgen gegen acht das Haus verließ, hatte er die Wahl zwischen drei Dingen, die er sämtlich an diesem Tag zu erledigen hatte: die Räume an der Place des Vosges noch einmal aufzusuchen und das Personal zu befragen, Madame Couchet zu besuchen, die ein Beamter des zuständigen Reviers von den Ereignissen benachrichtigt hatte, und schließlich, Nine erneut zu vernehmen.
    Gleich nach dem Aufstehen hatte er die Kriminalpolizei angerufen und eine Liste der Mieter des Hauses sowie aller anderen Personen durchgegeben, die mit dem Verbrechen in irgendeiner Weise im Zusammenhang standen. Sobald er sein Büro aufsuchte, würde er daher detaillierte Angaben vorfinden.
    Der Markt am Boulevard Richard-Lenoir war in vollem Gange. Es war so kalt, daß der Kommissar den Samtkragen seines Mantels hochschlug. Die Place des Vosges war nicht weit, aber nur zu Fuß zu erreichen.
    In diesem Moment kam jedoch eine Straßenbahn vorbei, die zur Place Pigalle fuhr, und das gab für Maigret den Ausschlag. Er würde also zuerst Nine aufsuchen.
    Sie war natürlich noch nicht aufgestanden. Am Empfang des Hotels erkannte man den Kommissar und beunruhigte sich.
    »Sie ist doch hoffentlich nicht in eine unangenehme Sache verwickelt? Ein so ruhiges Mädchen!«
    »Hat sie viel Besuch?«
    »Nur ihren Freund.«
    »Den alten oder den jungen?«
    »Sie hat nur einen. Weder alt noch jung …«
    Das Hotel war komfortabel, mit Aufzug und Zimmertelefon. Maigret stieg im dritten Stock aus, klopfte an die Tür des Zimmers 27 und hörte, wie sich jemand im Bett herumdrehte und verschlafen stammelte:
    »Was gibt’s denn?«
    »Machen Sie auf, Nine!«
    Sie mußte ihre Hand aus dem Bett gestreckt haben, um den Riegel zurückzuschieben. Maigret drang in das klamme Halbdunkel ein, bemerkte das verschwiemelte Gesicht der jungen Frau und ging zum Fenster, um die Vorhänge aufzuziehen.
    »Wieviel Uhr ist es?«
    »Noch keine neun Uhr. Sie brauchen meinetwegen nicht aufzustehen.«
    Sie hielt die Augen wegen des grellen Lichts halb geschlossen. Ungeschminkt und unausgeschlafen war sie nicht gerade hübsch. Sie wirkte eher wie ein einfaches Mädchen vom Land und gar nicht wie ein frivoles Modepüppchen. Zwei- oder dreimal fuhr sie sich mit der Hand über das Gesicht und setzte sich schließlich auf, indem sie sich das Kopfkissen in den Rücken schob. Dann nahm sie den Hörer ab.
    »Bringen Sie mir das Frühstück, bitte.«
    Und zu Maigret:
    »Was für eine entsetzliche Geschichte! Sie nehmen es mir nicht übel, daß ich Sie gestern angepumpt habe? Es ist zu dumm. Ich werde meinen Schmuck verkaufen müssen …«
    »Haben Sie viel?«
    Sie zeigte auf den Frisiertisch, auf dem in einem Reklameaschenbecher einige Ringe, ein Armband und eine Uhr lagen, die zusammen ungefähr fünftausend Francs wert sein mochten.
    Jemand klopfte an die Tür des Zimmers nebenan, und Nine spitzte die Ohren. Sie lächelte flüchtig, als es erneut, diesmal heftiger, klopfte.
    »Wer ist das?« fragte Maigret.
    »Meine Nachbarn. Ich kenne sie nicht. Aber sie jetzt um diese Zeit wachzukriegen …«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nichts! Sie stehen nie vor vier Uhr nachmittags auf, wenn sie überhaupt aufstehen.«
    »Nehmen sie Rauschgift?«
    Sie bestätigte es, indem sie die Wimpern niederschlug, fügte aber hastig hinzu:
    »Sie werden das doch nicht verwerten, was ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher