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Maigret bei den Flamen

Maigret bei den Flamen

Titel: Maigret bei den Flamen
Autoren: Georges Simenon
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zu rauchen und in seinem Korbsessel zu sitzen, in dem er zwei- bis dreimal am Tage einschlief …
    Joseph ließ sich so selten wie möglich blicken, fuhr nach Nancy zurück und überließ es seiner Schwester, sich aus der Affäre zu ziehen.
    Und Maria durchlebte Höllenqualen und verbrachte ihre Tage im Ursulinerinnenkloster voller Angst, eines Abends zurückzukommen und zu erfahren, daß alles aufgedeckt war.
    »Warum haben Sie die Leiche wieder aus dem Wasserbehälter heraus geholt?«
    »Weil sie sonst angefangen hätte zu riechen. Ich habe drei Tage gewartet. Als Joseph am Samstag wiederkam, haben wir sie zusammen zum Fluß geschleppt.«
    Auch bei ihr zeigten sich Schweißtröpfchen, aber nicht auf der Stirn, sondern auf der Oberlippe, genau dort, wo ein leichter Flaum die Haut überzog.
    »Als ich merkte, daß der Inspektor uns verdächtigte und seine Untersuchung verbissen durchführte, dachte ich mir, daß ich die Leute am besten zum Schweigen bringen könnte, wenn ich mich selbst an die Polizei wendete. Und wenn man die Leiche nicht gefunden hä t te …«
    »… hätte man den Fall als ungelöst zu den Akten gelegt!« knurrte Maigret.
    Und er fuhr fort, indem er wieder auf und ab zu gehen begann:
    »Aber da war noch der Schiffer, der gesehen hatte, wie die Leiche ins Wasser geworfen wurde, und der den Hammer und den Mantel heraus gefischt hatte …«
    Übertraf dessen Zynismus nicht sogar den eines Berufsverbrechers? Er sagte der Polizei nichts. Mehr noch: Er belog sie! Er ließ durchblicken, daß er mehr wüßte, als er zuzugeben bereit war!
    Gérard Piedbœuf erzählte er, daß er die Peeters ins Gefängnis bringen könnte, und als Entgelt für diese Aussage ließ er sich zweitausend Francs geben.
    Aber er sagte nicht aus. Er wandte sich an Anna. Auch ihr machte er ein Angebot.
    Entweder gab sie ihm nichts, und er würde reden. Oder aber sie zahlte ihm die stattliche Summe, die er verlangte, und er würde das Land verlassen, so daß aller Verdacht auf ihn fallen und von den Flamen abgewendet würde!
    Und Marguerite war es, die gezahlt hatte! Das hatte schnell gehen müssen, denn Maigret hatte bereits den Hammer gefunden! Anna konnte das Haus aber nicht verlassen, ohne daß es aufgefallen wäre. Also drückte sie dem Schiffer ein paar Zeilen für ihre Kusine in die Hand.
    Und diese kam kurz darauf angelaufen.
    »Was ist passiert? Wofür brauchst du …?«
    »Pst! Joseph wird gleich kommen. Ihr werdet bald heiraten …«
    Und die ätherische Marguerite hatte nicht gewagt, weitere Fragen zu stellen.
    Am Samstagabend hatte eine Atmosphäre der Entspannung im Hause geherrscht. Die Gefahr war g e bannt. Der Schiffer war auf der Flucht. Von nun an hing alles nur noch davon ab, daß er sich nicht erwischen ließ!
    »Und da Sie die schwachen Nerven Ihrer Schwester Maria fürchteten«, knurrte Maigret, »haben Sie ihr geraten, in Namur zu bleiben und eine Krankheit vorzutä u schen oder sich den Fuß zu verstauchen …«
    Ihm war, als bekäme er keine Luft mehr. Von neuem hörte man das Klavier, aber diesmal spielte es den Graf von Luxemburg!
     
     
    War Anna sich eigentlich der Ungeheuerlichkeit ihrer Tat bewußt? Sie blieb vollkommen ruhig. Sie wartete. Ihr Blick war so klar und ungetrübt wie immer.
    »Unten werden die anderen sich beunruhigen«, sagte sie.
    »Sie haben recht. Gehen wir hinunter …«
    Aber sie rührte sich nicht. Sie blieb mitten im Zimmer stehen und hielt Maigret am Ärmel fest.
    »Was werden Sie tun?«
    »Ich habe es Ihnen schon dreimal gesagt!« seufzte Ma i gret verdrossen. »Ich fahre heute abend nach Paris z u rück!«
    »Aber … Ich meine …«
    »Alles andere geht mich nichts an! Ich bin hier nicht im Dienst. Sprechen Sie mit Inspektor Machère …«
    »Werden Sie es ihm sagen?«
    Maigret antwortete nicht. Er war schon auf dem Treppenabsatz und atmete den warmen und süßen Geruch ein, der das ganze Haus durchzog, und der deutlich hervortretende Zimtgeruch rief alte Erinnerungen in ihm wach.
    Unter der Tür des Eßzimmers sah man einen Lichtstreifen. Die Musik wurde lauter.
    Maigret stieß die Tür auf und war erstaunt, daß Anna, die er nicht hinter sich herkommen gehört hatte, mit ihm zusammen eintrat.
    »Was haben Sie beide denn zusammen ausgeheckt?« fragte Dr. van de Weert, der sich eine riesige Zigarre a n gezündet hatte und an ihrem Ende wie ein Kind an se i nem Schnuller saugte.
    »Sie müssen entschuldigen – Mademoiselle Anna hat mich wegen einer Reise um Rat gefragt, die
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