Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret bei den Flamen

Maigret bei den Flamen

Titel: Maigret bei den Flamen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
toffeln in der Asche garen würde.
    Sie kamen an der kleinen Gasse vorbei. Im Haus der Piedbœufs war es dunkel.
    11
    Annas Schicksal
    H
    ast du deinen Fall aufklären können?«
    Madame Maigret war erstaunt, ihren Mann so schlecht gelaunt zu sehen. Sie half ihm aus dem Mantel und befühlte den Stoff.
    »Du bist wieder im Regen herum gelaufen … Eines T a ges holst du dir noch den Tod, und das hast du dann d a von! Was war das denn für eine Geschichte? Ein Verbr e chen?«
    »Eine Familienangelegenheit!«
    »Und die junge Frau, die dich aufgesucht hatte?«
    »Nun, eben eine junge Frau! Holst du mir bitte meine Pantoffeln?«
    »Schon gut! Ich werde dir nie wieder Fragen stellen. Jedenfalls nicht über diese Angelegenheit. Hast du in Givet wenigstens gut gegessen?«
    »Weiß ich nicht …«
    Das stimmte! Er konnte sich kaum an die Mahlzeiten erinnern, die er eingenommen hatte.
    »Rate mal, was ich dir zu essen gemacht habe …«
    »Speckkuchen!«
    Das war nicht schwer zu erraten, denn das ganze Haus duftete danach.
    »Hast du Hunger?«
    »Ja, mein Schatz. Jetzt nicht, aber gleich. Erzähl mir, was es hier Neues gibt. Die Sache mit den Möbeln ist übrigens erledigt.«
    Warum starrte er, während er sein Eßzimmer betrachtete, immer in die gleiche Ecke, in der es nichts zu sehen gab? Er wußte es selbst nicht, bis seine Frau ihn fragte:
    »Sag mal, suchst du eigentlich etwas Bestimmtes?«
    Sofort rief er:
    »Ich hab’s! Das Klavier …«
    »Welches Klavier?«
    »Nichts! Das würdest du doch nicht verstehen. Deine Speckkuchen sind hervorragend …«
    »Ich wäre eine schöne Elsässerin, wenn ich keine Speckkuchen zubereiten könnte. Nur, wenn du so weiterißt, läßt du mir kein einziges Stückchen mehr übrig … A propos Klavier, die Leute im vierten Stock …«
     
     
    Ein Jahr später suchte Maigret in einer Falschgeldangelegenheit ein Exportgeschäft in der Rue Poissonnière auf.
    Die Lagerräume waren riesig und mit Waren vollgestopft, aber die Büros waren winzig.
    »Ich werde Ihnen die falsche Banknote bringen lassen, die ich in einem Geldbündel entdeckt habe«, sagte der Inhaber und drückte auf eine Klingel.
    Maigret hatte irgendwohin geblickt. Er nahm undeutlich einen grauen Rock wahr, der sich dem Schreibtisch näherte, und Beine in Baumwollstrümpfen. Dann hob er den Kopf und starrte einen Moment ungläubig das Gesicht an, das sich über den Tisch beugte.
    »Vielen Dank, Mademoiselle Anna …«
    Und als der Kommissar der Angestellten nachschaute, erklärte der Geschäftsmann:
    »Sie sieht ein bißchen wie ein Drachen aus … Aber ich kann Ihnen eine solche Sekretärin nur wünschen! Sie ersetzt glatt zwei Angestellte. Sie erledigt die gesamte Korrespondenz und schafft es, in der übrigen Zeit noch die Buchhaltung zu machen …«
    »Arbeitet sie schon lange bei Ihnen?«
    »Seit ungefähr zehn Monaten.«
    »Ist sie verheiratet?«
    »Oh nein! Das ist ihr einziger wunder Punkt: ein tödlicher Haß auf alle Männer … Einmal hat ein Geschäft s freund, der mich aufgesucht hatte, nur so aus Spaß versucht, sie um die Hüfte zu fassen. Sie hätten den Blick sehen sollen, den sie ihm zugeworfen hat …
    Sie kommt morgens gegen acht, manchmal schon früher, und abends geht sie als letzte aus dem Haus. Sie muß Ausländerin sein, denn sie hat einen leichten A k zent …«
    »Erlauben Sie, daß ich kurz mit ihr spreche?«
    »Ich werde sie rufen.«
    »Nein! Ich möchte sie lieber in ihrem Büro …«
    Maigret ging durch eine Glastür. Das Büro lag zu einem Innenhof hin, auf dem sich zahlreiche Lastwagen drängten. Das ganze Haus schien unter den Erschütt e rungen der endlosen Kette von Bussen und Autos zu erzittern, die sich durch die Rue Poissonnière hindurc h schlängelte.
    Anna war ruhig, wie zuvor, als sie sich über ihren Chef gebeugt hatte, und wie Maigret sie von damals kannte. Sie mußte jetzt siebenundzwanzig sein, sah aber eher wie dreißig aus, denn ihr Teint hatte nicht mehr die gleiche Frische und ihre Züge waren welk.
    In zwei oder drei Jahren würde sie eine Frau ohne A l ter sein. Und zehn Jahre später eine alte Frau!
    »Haben Sie etwas von Ihrem Bruder gehört?«
    Sie wandte den Kopf ab, ohne zu antworten, und wip p te dabei gedankenverloren einen Löscher hin und her.
    »Ist er verheiratet?«
    Sie nickte nur kurz.
    »Glücklich?«
    Plötzlich begannen die Tränen zu strömen, auf die Maigret so lange gewartet hatte, ihre Brust hob sich, und sie fuhr ihn an, als ob sie ihn für alles
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher