Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Titel: Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Jules‹ auf. Am Tag war das kleine Lokal fast ebenso schummrig wie nachts, und an der Decke brannte die Kugellampe aus Milchglas. Ein schwerer Mann, dem das Hemd zwischen Hose und Weste heraushing, lehnte an der Theke. Er hatte ein dunkles Gesicht, und sein Doppelkinn sah fast so aus wie ein Kropf.
    »Was darf ich Ihnen anbieten, Monsieur Maigret? Ein Gläschen Sancerre? Der ist von meinem Cousin, der …«
    »Zwei«, sagte Maigret, der sich an die Theke lehnte.
    »Sie sind heute nicht der Erste …«
    »Ein Journalist, ich weiß …«
    »Er hat mich fotografiert, so wie ich vor Ihnen stehe, mit einer Flasche in der Hand. Kennen Sie Lebon? Er war dreißig Jahre bei der Müllabfuhr. Dann hatte er einen Unfall, und jetzt ist er pensioniert, mit einer kleinen Zusatzrente für sein Auge. Er war gestern Abend hier …«
    »Sie haben zu viert Karten gespielt, nicht wahr?«
    »Manille haben wir gespielt … Immer wir vier, jeden Abend, außer sonntags. Sonntags habe ich geschlossen …«
    »Sind Sie verheiratet?«
    »Meine Frau ist oben, bettlägerig …«
    »Um wie viel Uhr ist der junge Mann hereingekommen?«
    »Es muss so zehn Uhr gewesen sein …«
    Maigret warf einen Blick auf die Reklameuhr an der Wand.
    »Da brauchen Sie nicht hinzuschauen, sie geht zwanzig Minuten vor … Er hat die Tür zuerst nur einen Spaltbreit aufgestoßen, wahrscheinlich um sich das Lokal erst anzusehen … Bei uns ist es hoch hergegangen. Der Metzger hat gewonnen, und wenn der gewinnt, wird er immer ausfällig und meint, nur er könne richtig spielen …«
    »Er ist hereingekommen … Und dann?«
    »Ich habe ihn von meinem Platz aus gefragt, was er trinken will. Er war erst unschlüssig, dann hat er schüchtern gefragt:
    ›Haben Sie Cognac?‹
    Ich wollte erst noch meine letzten vier Karten ausspielen, dann bin ich hinter die Theke gegangen. Beim Bedienen habe ich den dreieckigen schwarzen Kasten bemerkt, den er an einem Riemen um den Hals trug, und mir gedacht, dass es ein Fotoapparat sein müsste … Es kommt vor, dass sich ein Tourist hierher verirrt, allerdings selten …
    Ich habe mich wieder an den Tisch gesetzt. Babœuf hat die Karten ausgeteilt. Der junge Mann schien es nicht eilig zu haben. Er hat sich auch nicht für das Spiel interessiert.«
    »Schien er irgendwie nervös?«
    »Nein.«
    »Hat er zur Tür geschaut, als würde er jemanden erwarten?«
    »Davon habe ich nichts bemerkt.«
    »Oder als hätte er Angst, es könne jemand hereinkommen?«
    »Nein … Er hat dagestanden, einen Ellenbogen auf die Theke gestützt, und ab und zu hat er an seinem Cognac genippt …«
    »Was für einen Eindruck hat er auf Sie gemacht?«
    »Er war durchnässt, wissen Sie, und mit seiner Wildlederjacke und seinen langen Haaren sah er so aus, wie viele junge Leute heute aussehen.
    Wir haben gespielt, als ob er nicht da wäre, und Babœuf wurde immer aufgeregter, weil er ständig die guten Karten bekommen hat.
    ›Vielleicht solltest du mal zu Hause nachschauen, was deine Frau treibt‹, hat Lebon gespöttelt.
    ›Pass du lieber auf deine auf, die ist sowieso ein wenig jung für dich und …‹
    Ich dachte schon, sie würden sich in die Haare kriegen. Aber dann haben sie sich wieder beruhigt, wie jedes Mal. Babœuf hat seinen Trumpf ausgespielt.
    ›Na, und was sagst du dazu?‹
    Dann hat mir Lebon, der neben mir auf der Bank saß, einen Rippenstoß gegeben und auf den Gast an der Theke gedeutet. Ich habe hingeschaut, aber nicht begriffen, was war. Er hat sozusagen still in sich hineingelächelt … Stimmt’s, François? Ich habe mich gefragt, was du mir zeigen wolltest. Du hast leise zu mir gesagt:
    ›Nachher …‹«
    Jetzt meldete sich der Mann mit dem Glasauge zu Wort.
    »Ich hatte gesehen, wie sich seine Hand auf dem Apparat bewegt hatte. Ich habe einen Neffen, der so ein Ding zu Weihnachten bekommen hat, und der nimmt jetzt zum Spaß dauernd auf, was seine Eltern sagen … Der Junge gestern hat ganz harmlos ausgesehen, wie er so vor seinem Glas gestanden hat, aber er hat alles mitbekommen, was wir gesagt haben, und sein Band ist die ganze Zeit gelaufen …«
    »Ich frage mich, was er sich davon versprochen hat«, brummte Jules.
    »Nichts, genau wie mein Neffe. Der nimmt etwas auf, weil es ihm gefällt, etwas aufzunehmen, nachher denkt er nicht mehr daran. Einmal hat er seinen Eltern einen Ehekrach vorgespielt, und mein Bruder wollte ihm schon den Apparat kaputtmachen.
    ›Lass dich noch mal erwischen, du Rotznase …‹
    Babœuf würde auch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher