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Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Titel: Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher
Autoren: Georges Simenon
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Straße habe ich Licht gesehen … Etwas weiter weg habe ich Schritte gehört, aber das war mir egal …
    Dann ist aus dem Bistro ein junger Mann in einer hellen Jacke herausgekommen, seine langen Haare haben am Nacken geklebt. Da ist es passiert …
    Ich kannte ihn nicht, hatte ihn nie zuvor gesehen, sein Gesicht habe ich nicht sehen können … Ich habe mehrmals zugestochen. Dann bin ich weggegangen, habe aber gemerkt, dass keine Entspannung eingetreten war, und bin wieder hingegangen, habe nochmals zugestochen und seinen Kopf hochgehoben …
    Deswegen hat man mich als ›Schlächter‹ bezeichnet … Und als Verrückten …«
    Er schwieg und blickte um sich, als wäre er erstaunt über die Umgebung, in der er sich befand.
    »Ich bin wohl wirklich verrückt, nicht wahr? Es kann gar nicht anders sein, als dass ich krank bin … Wenn ich nur in Behandlung käme … Jahrelang war das meine Hoffnung … Aber Sie werden sehen, die schicken mich einfach für den Rest meines Lebens ins Gefängnis …«
    Maigret wagte nicht, ihm zu antworten.
    »Sie sagen nichts dazu?«
    »Ich wünsche Ihnen, dass Sie in Behandlung kommen …«
    »Aber Sie scheinen nicht sehr überzeugt zu sein …«
    Maigret trank sein Glas aus.
    »Trinken Sie … Wir müssen bald zum Quai des Orfèvres fahren …«
    »Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben …«
    Er trank sein Glas in einem Zug aus. Maigret schenkte ihm nach.
     
    Bureau hatte sich nicht getäuscht. Bei der Gerichtsverhandlung erklärten zwei psychiatrische Gutachter, der Angeklagte sei zwar nicht geistesgestört im Sinne des Gesetzes, doch seine Schuldfähigkeit sei erheblich vermindert, weil er seinen Zwängen mehr oder weniger ausgeliefert sei.
    Der Verteidiger beschwor das Gericht, es möge seinen Mandanten in eine geschlossene psychiatrische Klinik einweisen.
    Das Urteil gestand Robert Bureau mildernde Umstände zu, lautete aber dennoch auf fünfzehn Jahre Haft.
    Nach der Urteilsverkündung räusperte sich der Vorsitzende Richter und erklärte:
    »Das Gericht ist sich darüber im Klaren, dass dieses Urteil nicht ganz den Gegebenheiten entspricht. Leider verfügen wir aber gegenwärtig über keine Einrichtungen, in denen Menschen wie Bureau erfolgversprechend behandelt und gleichzeitig sicher verwahrt werden können.«
    Von der Anklagebank aus suchte Bureau mit den Augen den Kommissar und lächelte ihm traurig zu, als wollte er sagen:
    ›Habe ich es nicht geahnt?‹
    Als Maigret den Gerichtssaal verließ, ließ er seine Schultern tiefer hängen als sonst.
     
    Epalinges (Vaud), 21. April 1969
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