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Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Titel: Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher
Autoren: Georges Simenon
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Telefonwache zu übernehmen.
    Seine Frau stellte keine Fragen; die Antwort wusste sie bereits.
    Hatte er das Spiel verloren? Hätte er lieber nicht auf seinen Instinkt vertrauen sollen? In weniger als vierundzwanzig Stunden würde er zum Untersuchungsrichter gehen und sich geschlagen geben müssen. Dann würde das Foto in die Zeitungen kommen.
    Was zum Teufel tat dieser Dummkopf nur? Manchmal fühlte er richtiggehend Wut in sich aufsteigen.
    »Der wollte sich bloß interessant machen, und jetzt lässt er mich sitzen. Womöglich macht er sich auch noch lustig über meine Naivität …«
    Er ging früher als gewöhnlich ins Büro zurück.
    »Nichts?«, fragte er Janvier, obwohl er die Antwort bereits wusste.
    Dieser hätte viel darum gegeben, mit einer guten Nachricht aufwarten zu können; es war ihm unerträglich, seinen Chef in diesem Zustand zu sehen.
    »Noch nicht …«
    Der Nachmittag verging noch langsamer als der Vormittag. Maigret versuchte vergebens, sich mit Papierkram abzulenken, zu dessen Erledigung er jetzt endlich Zeit hatte. Mit den Gedanken war er woanders.
    Er dachte sich alle möglichen Erklärungen aus, um sie eine nach der anderen wieder zu verwerfen. Er versuchte es sogar in der Notrufzentrale.
    »Haben Sie Selbstmordfälle gehabt?«
    »Einen Augenblick … In der Nacht hat eine alte Frau den Gashahn aufgedreht, in der Nähe der Porte d’Orléans … Und heute früh um acht ist ein Mann in die Seine gesprungen. Er konnte gerettet werden.«
    »Wie alt?«
    »Zweiundvierzig. Psychotiker …«
    Was plagte er sich denn so? Er hatte getan, was er tun konnte. Jetzt musste er eben der Realität ins Gesicht sehen. Dass er zum Narren gehalten worden war, wurmte ihn weniger als die Tatsache, dass seine Intuition ihn getäuscht hatte. Denn das war schlimm. Es bedeutete, dass er die Verbindung nicht wiederherstellen konnte, und in diesem Fall …
    »Mist! Mist! Elender Mist!«
    Er stieß die Worte, ganz allein im Büro, in voller Lautstärke aus. Dann nahm er seinen Hut und begab sich, ohne Mantel und ohne Begleitung, in die ›Brasserie Dauphine‹, wo er im Stehen zwei Bier hinunterstürzte.
    »Kein Anruf?«, fragte er, als er zurückkam.
    Um sieben Uhr hatte das Telefon noch immer nicht geklingelt, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als nach Hause zu gehen. Er fühlte sich lustlos, war unzufrieden mit sich. Er nahm ein Taxi. Er genoss weder die Abendsonne noch das bunte Getümmel in den Straßen. Er merkte nicht einmal, was für Wetter war.
    Schwerfällig stieg er die Treppen hinauf, zweimal legte er eine Verschnaufpause ein. Erst wenige Stufen unterhalb seines Stockwerks bemerkte er, dass seine Frau oben auf dem Absatz stand und ihm entgegenblickte.
    Sie erwartete ihn wie eine Mutter ihren Erstklässler nach der Schule, und er hätte ihr das fast übelgenommen. Als er auf dem Treppenabsatz stand, raunte sie ihm zu:
    »Er ist da …«
    »Bist du sicher, dass er es ist?«
    »Er hat es mir selbst gesagt.«
    »Ist er schon lange da?«
    »Fast eine Stunde …«
    »Und du hattest keine Angst?«
    Maigret war im Nachhinein plötzlich um seine Frau besorgt.
    »Ich wusste, dass ich nicht in Gefahr war.«
    Sie unterhielten sich flüsternd, weil die Tür nur angelehnt war.
    »Wir haben geplaudert.«
    »Worüber?«
    »Über alles Mögliche … Über das Wetter, über Paris, über preiswerte kleine Restaurants, die es immer weniger gibt …«
    Maigret ging hinein. Im Wohnzimmer, das zugleich auch Esszimmer war, saß ein jüngerer Mann, der sich bei seinem Eintreten erhob. Madame Maigret hatte ihm den Mantel abgenommen, sein Hut lag auf einem Stuhl. Er trug einen marineblauen Anzug und wirkte noch jünger, als er wirklich war.
    Er rang sich zu einem Lächeln durch.
    »Entschuldigen Sie bitte, dass ich hergekommen bin … Am Quai des Orfèvres hätte ich Angst gehabt, dass man mich nicht gleich zu Ihnen lässt … Man hört so vieles …«
    Vielleicht hatte er Angst, geschlagen zu werden. Er war verlegen, wollte irgendetwas sagen, weil ihm das Schweigen peinlich war. Dass der Kommissar ebenso verlegen war wie er selbst, merkte er nicht. Madame Maigret war wieder in der Küche.
    »Sie sind genau so, wie ich Sie mir vorgestellt habe …«
    »Setzen Sie sich doch …«
    »Ihre Frau war sehr nett zu mir …«
    Als hätte er es vergessen gehabt, zog er jetzt ein Klappmesser aus der Tasche und hielt es Maigret hin.
    »Sie können die Blutspuren untersuchen lassen … Ich habe es nicht saubergemacht …«
    Maigret legte es
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