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Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Titel: Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht
Autoren: Georges Simenon
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bei diesem Gedanken meist gefreut. Aber jetzt, nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub, war diese Pensionierung kein vager und ferner Begriff mehr, sondern eine logische Konsequenz, die sich bald ergeben würde.
    Die Zukunft hatte während der drei Wochen, die sie an der Loire verbracht hatten, Gestalt angenommen, als sich die Maigrets endlich das Haus kauften, in dem sie nach der Pensionierung des Kommissars wohnen würden.
    Es passierte völlig überraschend. Wie in den Jahren zuvor stiegen sie in einem Hotel in Meung-sur-Loire ab, wo sie sich wie zu Hause fühlten und wo die Wirtsleute, die Fayets, sie bereits zur Familie zählten.
    Durch Aushänge an den Mauern der Kleinstadt erfuhren sie, dass ein Haus am Ortsrand versteigert werden sollte. Maigret besichtigte es zusammen mit seiner Frau. Es war ein sehr altes Gebäude, die grauen Steinmauern mit dem dahinterliegenden Garten erinnerten an ein Pfarrhaus.
    Sofort waren sie von den blauen Fliesen in den Fluren angetan, von der Küche mit den dicken Deckenbalken, zu der drei Stufen hinunterführten und wo in einer Ecke noch eine Wasserpumpe stand; im Wohnzimmer roch es wie im Sprechzimmer eines Klosters, und überall brachen Sonnenstrahlen durch die eckigen Butzenscheiben der Fenster und tauchten die Räume in ein geheimnisvolles Licht.
    Während der Versteigerung sahen sich die Maigrets, die im Hintergrund des Zimmers standen, mehrmals fragend an, und sie waren selbst überrascht, als der Kommissar die Hand hob und die Bauern sich nach ihnen umdrehten … Zum Ersten? … Zum Zweiten? … Und zum Dritten!
    Zum ersten Mal in ihrem Leben waren sie Hausbesitzer, und bereits am nächsten Tag ließen sie einen Installateur und einen Schreiner kommen.
    In den letzten Ferientagen sahen sie sich sogar bei den Antiquitätenhändlern der Umgebung um. Unter anderem kauften sie eine Holztruhe mit dem Wappen von François-1 er und stellten sie in den Flur des Erdgeschosses, in dem sich ein steinerner Kamin befand.
    Maigret erzählte weder Janvier noch Lucas oder sonst jemandem etwas davon, als schäme er sich, bereits für die Zukunft vorzusorgen, als sei es ein Verrat gegenüber dem Quai des Orfèvres.
    Gestern hatte er plötzlich den Eindruck gehabt, sein Büro sei nicht mehr genauso wie früher, und während er eben im Wartezimmer der Zeugen die Geräusche im Gerichtssaal hörte, fühlte er sich wie ein Fremder.
    In zwei Jahren würde er angeln gehen und an Winternachmittagen bestimmt in der Ecke eines Cafés, in dem er Stammgast wäre, mit anderen Karten spielen.
    Bernerie stellte präzise Fragen, auf die der Kommissar des 9. Arrondissements ebenso präzise antwortete.
    Die Zeugen auf den Bänken rings um Maigret waren alle bereits in seinem Büro gewesen. Einige der Männer und Frauen hatten dort sogar mehrere Stunden verbracht. Jetzt schienen sie den Kommissar nicht wiederzuerkennen, vielleicht fühlten sie sich auch einfach durch den ehrwürdigen Ort gehemmt.
    Dabei würde er sie jetzt ohnehin nicht mehr verhören. Sie würden auch nicht mehr wie bisher einem Menschen gegenüberstehen, sondern einem unpersönlichen Apparat, und es war nicht einmal sicher, ob sie die ihnen gestellten Fragen verstehen würden.
    Die Tür öffnete sich einen Spalt. Maigret war an der Reihe. Wie sein Kollege vom neunten Arrondissement hielt er seinen Hut in der Hand und ging, ohne nach links oder nach rechts zu schauen, auf den Zeugenstand zu, der von einem halbrunden Geländer begrenzt wurde.
    »Ihr Name, Vorname, Alter und Dienstgrad …«
    »Maigret, Jules, dreiundfünfzig, Hauptkommissar der Pariser Kriminalpolizei.«
    »Sie sind mit dem Angeklagten weder verwandt noch verschwägert? … Heben Sie die rechte Hand … Schwören Sie, die Wahrheit zu sagen … und nichts als die Wahrheit …«
    »Ich schwöre es …«
    Auf der rechten Seite sah er die Silhouetten der Geschworenen, Gesichter, die sich heller aus dem Halbdunkel abhoben, und links, hinter den schwarzen Roben der Anwälte, den Angeklagten, der zwischen zwei uniformierten Aufsehern saß, das Kinn auf die gefalteten Hände stützte und ihn eindringlich ansah.
    Stundenlang hatten sie sich beide im überheizten Büro am Quai des Orfèvres gegenübergesessen und gelegentlich das Verhör unterbrochen, um Sandwiches zu essen, Bier zu trinken und sich wie alte Bekannte zu unterhalten.
    »Hören Sie, Meurant …«
    Hatte Maigret ihn nicht zwischendurch sogar geduzt?
    Hier jedoch erhob sich eine unüberwindbare Barriere zwischen ihnen, und
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