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Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Titel: Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht
Autoren: Georges Simenon
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Gaston Meurants Blick war ebenso neutral wie der des Kommissars.
    Bernerie und Maigret kannten sich auch, sie waren sich nicht nur auf den Fluren des Gerichtsgebäudes begegnet, sondern dies war das dreißigste Mal, dass Bernerie Maigret einem Verhör unterzog.
    Doch davon war nichts zu spüren. Jeder spielte seine Rolle, als hätten sie sich nicht gekannt, als seien sie Akteure einer Zeremonie, die wie die Messe in der Kirche nach dem immer gleichen Schema ablief.
    »Sie haben doch, Herr Kriminalhauptkommissar, die Ermittlung in dem Fall geführt, den das Gericht hier verhandelt?«
    »Ja, Herr Vorsitzender.«
    »Dann sagen Sie bitte den Herren Geschworenen, was Sie wissen.«
    »Am achtundzwanzigsten Februar dieses Jahres hat mich der Polizeikommissar vom neunten Arrondissement gegen ein Uhr mittags in meinem Büro am Quai des Orfèvres angerufen. Er hat mir gesagt, dass unmittelbar davor in der Rue Manuel, nicht weit von der Rue des Martyrs, ein Mord entdeckt wurde und dass er zum Tatort fahren will. Wenige Minuten später habe ich einen Anruf von der Staatsanwaltschaft erhalten. Ich sollte ebenfalls dorthin fahren und Leute von der Spurensicherung und vom Erkennungsdienst hinschicken.«
    Maigret hörte, wie hinter ihm gehustet wurde und Unruhe aufkam. Es war die erste Verhandlung nach der Sommerpause, und alle Plätze waren besetzt. Wahrscheinlich standen sogar Zuhörer hinten an der großen Tür, die von uniformierten Beamten bewacht wurde.
    Bernerie gehörte zu den wenigen Richtern, die sich streng an die Strafprozessordnung hielten und sich vor dem Schwurgericht nicht mit einer Zusammenfassung der Untersuchung begnügten, sondern diese bis in jede Einzelheit rekonstruierten.
    »Haben Sie den Vertreter der Staatsanwaltschaft am Tatort angetroffen?«
    »Ich war ein paar Minuten vor ihm dort. Kommissar Segré, sein Sekretär und zwei Inspektoren aus dem Viertel waren bereits da. Keiner hatte irgendetwas angerührt.«
    »Sagen Sie uns, was Sie gesehen haben.«
    »Die Rue Manuel ist eine ruhige Straße mit wenig Verkehr, die in die untere Rue des Martyrs mündet. Das Umfeld ist bürgerlich. Etwa in der Mitte liegt das Haus Nummer siebenundzwanzig. Die Loge der Concierge ist nicht im Erdgeschoss, sondern in der Zwischenetage. Der Inspektor hat mich bereits erwartet und hat mich in den zweiten Stock geführt, wo ich zwei Türen gesehen habe. Die rechte stand halb offen, und auf einem kleinen Messingschild stand der Name: Madame Faverges.«
    Maigret wusste, dass für den Vorsitzenden Richter alles wichtig war und dass er nichts weglassen durfte, wenn er nicht schroff zurechtgewiesen werden wollte.
    »In der Diele, die von einer schwachen Glühbirne beleuchtet wurde, habe ich keine Unordnung feststellen können.«
    »Moment. Waren an der Tür Spuren, die auf einen Einbruch schließen lassen?«
    »Nein. Sie ist später noch einmal von Spezialisten untersucht worden. Die haben das Schloss herausgenommen und festgestellt, dass hier kein Werkzeug verwendet worden ist, wie man es sonst von Einbrüchen kennt.«
    »Danke. Erzählen Sie weiter.«
    »Die Wohnung besteht aus vier Räumen und der Diele. Gegenüber der Diele ist ein Wohnzimmer, mit cremefarbenen Gardinen an der verglasten Tür. In diesem Zimmer, das durch eine weitere Fenstertür mit dem Esszimmer verbunden ist, habe ich die beiden Leichen entdeckt.«
    »Wo lagen sie genau?«
    »Die Leiche der Frau – Léontine Faverges, wie ich inzwischen weiß – lag mit dem Kopf zum Fenster auf dem Teppich ausgestreckt. Die Kehle war mit einem Gegenstand durchgeschnitten worden, der nirgends im Zimmer zu finden war, und auf dem Teppich war eine über fünfzig Zentimeter große Blutlache. Was die Leiche des Kindes betrifft …«
    »Sie meinen die vierjährige Cécile Perrin, die die meiste Zeit über bei Léontine Faverges gelebt hat, oder?«
    »Ja, Herr Vorsitzender. Ihre Leiche lag zusammengekrümmt auf einem Louis-XV-Sofa, und das Gesicht war unter Seidenkissen begraben. Der Arzt des Viertels hat festgestellt, und Doktor Paul hat es kurz darauf bestätigt, dass das Kind mit diesen Kissen erstickt worden ist, nachdem es vorher gewürgt wurde …«
    Im Saal wurde es unruhig, aber Bernerie brauchte nur den Kopf zu heben und seinen Blick über die Zuschauerreihen schweifen zu lassen, um wieder Ruhe herzustellen.
    »Sind Sie, nachdem der Vertreter der Staatsanwaltschaft weg war, bis zum Abend mit Ihren Mitarbeitern in der Wohnung geblieben?«
    »Ja, Herr Vorsitzender.«
    »Was
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