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Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Titel: Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht
Autoren: Georges Simenon
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ihr dann den Hausdurchsuchungsbefehl gezeigt. Wir haben den Anzug in einem Spezialbeutel unter Verschluss genommen, und Inspektor Janvier hat die üblichen Bescheinigungen ausgestellt.
    Eine halbe Stunde später war der Anzug im Labor und konnte von den Spezialisten untersucht werden. Im Laufe des Nachmittags stellte sich heraus, dass am rechten Ärmel und am Revers tatsächlich Blutspuren festgestellt werden konnten.
    Ich musste mich allerdings noch bis zum nächsten Tag gedulden, um Gewissheit darüber zu erhalten, ob es sich um menschliches Blut handelt. Vom Mittag an habe ich vorsichtshalber Gaston Meurant und seine Frau diskret überwachen lassen.
    Am darauffolgenden Morgen, am siebten März, haben sich meine beiden Inspektoren Janvier und Lapointe mit einem Haftbefehl zur Werkstatt in der Rue de la Roquette begeben und Gaston Meurant festgenommen.
    Er schien überrascht, hat jedoch keinen Widerstand geleistet und meinte nur:
    ›Das ist bestimmt ein Missverständnis.‹
    Ich habe ihn in meinem Büro erwartet. Seine Frau war nebenan und wirkte nervöser als er.«
    »Können Sie uns, aus der Erinnerung, ungefähr das Gespräch wiedergeben, das Sie am besagten Tag mit dem Angeklagten geführt haben?«
    »Ich glaube schon, Herr Vorsitzender. Ich saß an meinem Schreibtisch und ließ ihn stehen. Inspektor Janvier stand neben ihm, und Inspektor Lapointe hatte sich auf einen Stuhl gesetzt, um das Verhör mitzustenographieren.
    Ich war damit beschäftigt, meine Post zu unterschreiben, und das hat ein Weilchen gedauert. Dann habe ich ihn angesehen und ihm auf den Kopf zugesagt:
    ›Das ist nicht nett von Ihnen, Meurant. Warum haben Sie mich angelogen?‹
    Er wurde rot. Seine Lippen haben gezittert.
    ›Bisher‹, habe ich weiter gesagt, ›habe ich Sie nicht für einen möglichen Schuldigen gehalten, sondern für einen Verdächtigen. Aber inzwischen weiß ich, dass Sie am siebenundzwanzigsten Februar in der Rue Manuel gewesen sind. Was soll ich jetzt davon halten? Und warum haben Sie das verschwiegen?‹«
    Bernerie beugte sich vor, damit ihm kein Wort des Berichts entging.
    »Was hat er Ihnen geantwortet?«
    »Er hat mit gesenktem Kopf gestammelt:
    ›Ich bin unschuldig. Sie waren schon tot.‹«

2
    Der Vorsitzende Richter hatte offenbar mit einem unauffälligen Wink den Gerichtsdiener herbeigerufen, denn der kam auf Zehenspitzen um die Richterbank herum und beugte sich zu ihm hinunter, während der junge Verteidiger Duché blass und verkrampft zu erraten versuchte, was da vor sich ging.
    Bernerie sagte nur ein paar Worte, und die Zuhörer im Saal folgten seinem Blick nach oben auf die Fenster, von denen Schnüre herabhingen.
    Die Heizkörper verbreiteten eine große Hitze. Die Menschen saßen zu Hunderten auf den Bänken, dichtgedrängt wie Sardinen. Ihre verschwitzten Kleider und ihr Atem verbanden sich zu einer unsichtbaren Dunstwolke, die mehr und mehr den Geruch menschlicher Ausdünstungen verströmte.
    Der Gerichtsdiener ging wie ein Küster auf einen der Seilzüge zu und versuchte, ein Fenster zu öffnen. Es gab nicht nach. Dreimal wiederholte er seinen Versuch, aber es tat sich nichts, noch immer waren alle Augen auf ihn gerichtet, und schließlich hörte man ein nervöses Lachen, als er sich entschloss, es beim nächsten Fenster zu versuchen.
    Durch diesen Zwischenfall wurde die Außenwelt wieder ins Bewusstsein gerückt, man sah den Regen an den Scheiben herunterlaufen, dahinter die Wolken, und plötzlich waren auch die Bremsgeräusche der Autos und Busse wieder deutlich zu hören. In diesem Augenblick ertönte sogar, wie um die kurze Unterbrechung zu unterstreichen, das Martinshorn eines Krankenwagens oder eines Polizeiwagens.
    Maigret wartete. Er schien besorgt und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er hatte die Unterbrechung genutzt, um kurz zu Meurant hinüberzuschauen, und während sich ihre Blicke kreuzten, glaubte er in den blauen Augen des Angeklagten einen Vorwurf zu lesen.
    Es war nicht das erste Mal, dass der Kommissar hier im Zeugenstand eine gewisse Entmutigung spürte. In seinem Büro am Quai des Orfèvres musste sich Maigret noch mit der Wirklichkeit auseinandersetzen, und selbst wenn er anschließend seinen Bericht schrieb, konnte er glauben, dass das Geschriebene mit der Wahrheit übereinstimmte.
    Dann vergingen Monate, manchmal dauerte es auch ein Jahr oder zwei, und eines schönen Tages traf er im Zeugenraum wieder auf die Menschen, die er irgendwann verhört hatte und die für ihn nur
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