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Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Titel: Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht
Autoren: Georges Simenon
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unterschrieben hat, war er kurz vor sieben in der Rue Manuel. Auf der Treppe ist er niemandem begegnet, er hat auch keine Concierge gesehen. Er hat an die Tür seiner Tante geklopft, war überrascht, dass niemand aufmachte und dass der Schlüssel im Schloss steckte. Er ist in die Wohnung gegangen und hat das vorgefunden, was ich gerade geschildert habe.«
    »Brannte Licht in der Wohnung?«
    »Die große Stehlampe mit dem lachsfarbenen Schirm im Wohnzimmer war noch an. Meurant glaubt, dass auch in den anderen Zimmern Licht gebrannt hat, aber das ist eher eine Vermutung, denn er hat sie nicht betreten.«
    »Wie erklärt er sein Verhalten? Warum hat er nicht einen Arzt gerufen oder die Polizei benachrichtigt?«
    »Aus Angst, beschuldigt zu werden. Er hat gesehen, dass am Louis-XV-Schreibtisch eine Schublade offen stand, und hat sie wieder zugemacht. Außerdem hat er die künstlichen Blumen, die auf dem Boden verstreut waren, in die Vase zurückgestellt. Als er wieder gehen wollte, ist ihm eingefallen, dass er vielleicht Fingerabdrücke hinterlassen hatte, und deshalb hat er den Schreibtisch und die Vase mit seinem Taschentuch abgewischt. Auch den Türgriff hat er abgewischt und dann noch den Schlüssel abgezogen, bevor er die Treppe runterging.«
    »Was hat er damit gemacht?«
    »Er hat ihn in ein Kanalloch geworfen.«
    »Wie ist er zu sich nach Hause zurückgekommen?«
    »Mit dem Bus. Die Linie zum Boulevard de Charonne führt durch weniger befahrene Straßen, und so war er anscheinend um fünf nach halb acht in seiner Wohnung.«
    »War seine Frau nicht da?«
    »Nein. Sie war wie gesagt in die Fünfuhrvorstellung in ein Kino im Viertel gegangen. Sie war oft im Kino, fast jeden Tag. Fünf Kassiererinnen haben sie auf einem Foto identifiziert. Während Meurant auf seine Frau wartete, hat er einen Rest Hammelkeule und grüne Bohnen aufgewärmt und dann den Tisch gedeckt.«
    »Hat er das öfters gemacht?«
    »Sehr oft.«
    Obwohl Maigret mit dem Rücken zum Publikum stand, hatte er den Eindruck, dass alle, besonders die anwesenden Frauen, lächelten.
    »Wie viele Male haben Sie den Angeklagten verhört?«
    »Fünfmal, davon einmal elf Stunden lang. Da er bei seinen Aussagen blieb, habe ich meinen Bericht fertiggestellt und ihn dem Untersuchungsrichter vorgelegt. Seitdem habe ich Meurant nicht wiedergesehen.«
    »Hat er Ihnen aus der Untersuchungshaft nicht geschrieben?«
    »Doch. Sein Brief ist zu den Akten gelegt worden. Er versichert mir darin noch einmal, dass er unschuldig ist, und bittet mich, auf seine Frau aufzupassen.«
    Meurant zuckte bei dieser Bemerkung leicht zusammen, und Maigret wich seinem Blick aus.
    »Hat der Angeklagte Ihnen nicht gesagt, was er damit meint oder warum er Angst um seine Frau hat?«
    »Nein, Herr Vorsitzender.«
    »Haben Sie seinen Bruder ausfindig gemacht?«
    »Ja, vierzehn Tage nach dem Verbrechen in der Rue Manuel, das heißt genau am vierzehnten März.«
    »In Paris?«
    »In Toulon, wo er zwar keinen festen Wohnsitz hat, aber trotzdem die meiste Zeit verbringt; sonst hält er sich an anderen Orten an der Côte d’Azur auf, in Marseille, in Nizza oder Menton. Er ist zunächst auf Rechtshilfeersuchen von der Kriminalpolizei in Toulon vernommen worden. Dann habe ich ihn in mein Büro vorgeladen, aber er ist erst gekommen, nachdem ihm die Reisekosten im Voraus erstattet worden sind. Seiner Aussage zufolge ist er seit Januar nicht in Paris gewesen, und er hat drei Zeugen benannt, mit denen er am siebenundzwanzigsten Februar in Bandol Karten gespielt hat. Die Zeugen sind ebenfalls vernommen worden. Sie kommen aus demselben kriminellen Umfeld wie Alfred Meurant.«
    »Wann haben Sie Ihren Bericht dem Untersuchungsrichter übergeben?«
    »Der endgültige Bericht hat ihm zusammen mit den verschiedenen vom Angeklagten unterschriebenen Aussagen am achtundzwanzigsten März vorgelegen.«
    Jetzt hatten sie den brisanten Punkt erreicht. Nur drei Personen, die eine wichtige Rolle spielten, waren darüber im Bilde. Zunächst der Staatsanwalt, Justin Aillevard, den Maigret einen Tag vorher um fünf Uhr in seinem Amtszimmer aufgesucht hatte. Außerdem neben Maigret selbst Bernerie, der seinerseits am späteren Abend des vergangenen Tages vom Generalstaatsanwalt in Kenntnis gesetzt worden war.
    Aber es gab noch weitere Personen, von denen das anwesende Publikum nichts ahnte, die ebenfalls auf diesen Augenblick warteten, fünf Inspektoren nämlich, die Maigret unter den weniger bekannten ausgesucht hatte,
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