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Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Titel: Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange
Autoren: Georges Simenon
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um den Inspektor zu beruhigen.
    »Sie weiß nichts«, versicherte er. »Alfred ist nicht der Typ, der seine Pläne einer Frau erzählt, nicht mal seiner eigenen.«
    Das Bild, das Boissier von Jussiaume zu zeichnen begann, ähnelte ziemlich dem, das Ernestine skizziert hatte, obwohl er natürlich das Professionelle in den Vordergrund stellte.
    »Ich bin jedes Mal sauer, wenn ich einen Kerl wie Alfred verhaften und einlochen muss. Das letzte Mal, als sie ihm fünf Jahre aufbrummten, hätte ich am liebsten seinen Verteidiger angeschnauzt, der keine Ahnung hatte, wie er vorgehen sollte. Das war vielleicht ein Würstchen, dieser Anwalt.«
    Es war schwer, genau zu beschreiben, was Boissier unter einem Würstchen verstand, aber man wusste, was er meinte.
    »Es gibt in Paris keinen zweiten, der wie Alfred lautlos in ein bewohntes Haus eindringen und darin arbeiten kann, ohne auch nur eine Katze zu wecken. Technisch gesehen ist er ein Künstler. Überdies braucht er niemanden, der ihm einen Tipp gibt, Schmiere steht und all diesen Krempel. Er arbeitet allein und verliert nie die Nerven. Er trinkt nicht, ist verschwiegen und spielt in den Bistros nicht den hartgesottenen Kerl. Mit seinen Fähigkeiten müsste er stinkreich sein. Er kennt genau den Standort und den Mechanismus von mehreren hundert Geldschränken, die er selbst eingebaut hat und von denen man meinen könnte, er brauche nur hinzugehen und sie zu leeren. Aber immer, wenn er sich dazu aufrafft, kommt etwas dazwischen, oder er findet ein leeres Nest.«
    Vielleicht redete Boissier nur so, weil er im Traurigen Alfred ein Abbild seines eigenen Schicksals sah, mit dem Unterschied allerdings, dass er selbst sich einer Gesundheit erfreute, die allen Aperitifs trotzte, die er auf den Caféterrassen in sich hineingoss, und allen Nächten, die er sich bei egal welchem Wetter um die Ohren schlug.
    »Das Komischste ist, dass er, selbst wenn man ihn für zehn oder zwanzig Jahre hinter Gitter brächte, danach sofort wieder anfangen würde, auch wenn er dann siebzig wäre und an Krücken ginge. Er sagt sich, es genüge, ein einziges Mal Schwein zu haben, und einmal müsse er doch an die Reihe kommen.«
    »Er hat einen ziemlichen Schock bekommen«, berichtete Maigret. »Es scheint, dass er in dem Augenblick, als er irgendwo in Neuilly einen Geldschrank öffnen wollte, plötzlich bemerkt hat, dass in dem betreffenden Zimmer eine Leiche lag.«
    »Was habe ich Ihnen gesagt? So etwas kann doch nur ihm passieren! Da ist er also verduftet? Was hat er denn mit seinem Fahrrad gemacht?«
    »In die Seine geworfen.«
    »Und jetzt ist er in Belgien?«
    »Vermutlich, ja.«
    »Ich rufe dann mal in Brüssel an, es sei denn, dass Sie ihn gar nicht wiederfinden wollen.«
    »Im Gegenteil: Ich bin sehr begierig darauf, dass er gefunden wird.«
    »Wissen Sie, wo die ganze Geschichte passiert ist?«
    »Ich weiß nur, dass es in Neuilly war und dass das Haus einen Vorgarten hat mit einem Gitter darum.«
    »Das wird ein Leichtes sein. Ich bin gleich wieder da.«
    Maigret hatte den liebenswürdigen Einfall, während Boissiers Abwesenheit in der ›Brasserie Dauphine‹ zwei weitere Pernod zu bestellen. Ihr Duft rief ihm nicht nur die Zeit der Rue de la Lune in Erinnerung, sondern auch den Süden und besonders eine kleine Kneipe in Cannes, wohin ihn ein anderer Fall geführt hatte, der beinahe zu einer Ferienaufgabe geworden war.
    Er hatte seiner Frau nicht ausdrücklich zugesagt, sie auf dem Blumenmarkt zu treffen, und sie wusste, dass sie nie mit ihm rechnen konnte. Boissier kam mit einer Akte zurück, aus der er zunächst die polizeilichen Erkennungsfotos Alfred Jussiaumes zog.
    »So sieht er aus!«
    Alles in allem war es mehr der Kopf eines Asketen als der eines Kriminellen. Die Haut spannte über den Knochen, die Nasenflügel waren lang und schmal, und der Blick war von einer fast mystischen Intensität.
    Selbst beim Betrachten dieser mitleidlosen Aufnahmen von vorn und im Profil, die ihn ohne Kragen, mit stark vorstehendem Adamsapfel zeigten, spürte man die ungeheure Einsamkeit dieses Mannes, dessen Traurigkeit so gar nicht aufgesetzt oder trotzig wirkte. Da er als Wild geboren war, fand er es wohl ganz natürlich, gejagt zu werden.
    »Möchten Sie, dass ich Ihnen sein Vorstrafenregister vorlese?«
    »Das ist heute nicht unbedingt nötig. Ich möchte die Strafakte lieber durcharbeiten, wenn ich ausgeruht bin. Was ich gern hätte, ist die Liste.«
    Mit den drei letzten Worten machte er Boissier eine
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