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Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Titel: Maigret - 31 - Mein Freund Maigret
Autoren: Georges Simenon
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hatte es dann einen jener Fälle gegeben, die ihn gewöhnlich tage- und nächtelang beschäftigten.
    Vom fünften Tage an sahen er und seine Frau sich verzweifelt an, und die Mouthons blieben neun Tage, waren immer gleich liebenswürdig, charmant, zuvorkommend und so bescheiden, wie man es nur sein kann, so daß Maigret sich nur noch mehr schämte, daß er sie allmählich haßte.
    Mit Mr. Pyke war es dasselbe. Allerdings begleitete er erst seit drei Tagen Maigret auf Schritt und Tritt. Einmal, während des Urlaubs, hatte man zu den Mouthons beiläufig gesagt: »Warum kommt ihr nicht einmal im Frühling auf eine Woche nach Paris? Wir haben ein Fremdenzimmer, das nie benutzt wird.«
    Sie waren gekommen.
    Und ganz ähnlich war es hier gewesen. Vor einigen Wochen hatte der Polizeipräfekt dem Oberbürgermeister von London einen offiziellen Besuch abgestattet. Dieser hatte ihm auch die Büros des berühmten Scotland Yard gezeigt, und der Polizeipräfekt war angenehm überrascht gewesen, daß die hohen Beamten der englischen Polizei Maigret dem Namen nach kannten und sich für seine Methoden interessierten.
    »Warum kommen Sie nicht einmal, um ihm bei seiner Arbeit zuzusehen?« hatte der ahnungslose Engel gesagt.
    Man hatte ihn beim Wort genommen. Genauso, wie es die Mouthons getan hatten. Man hatte Inspektor Pyke nach Paris geschickt, und seit drei Tagen folgte dieser Maigret auf Schritt und Tritt, so bescheiden und unaufdringlich, wie man es nur tun kann. Aber er war eben trotzdem da. Trotz seiner fünfunddreißig oder vierzig Jahre wirkte er so jung, daß man ihn für einen eifrigen Studenten hätte halten können. Er war bestimmt intelligent, vielleicht sogar äußerst intelligent. Er sah, hörte, dachte nach. Er dachte so angestrengt nach, daß man den Eindruck hatte, ihn nachdenken zu hören, und gerade das war so anstrengend.
    Maigret fühlte sich als Missetäter, den man dauernd beobachtet. Alles, was er tat und sagte, wurde im Kopf des wie eine Sphinx wirkenden Mr. Pyke genauestens registriert. Aber seit drei Tagen hatte es keine interessante Arbeit gegeben. Nur das übliche, Aktenkram, gleichgültige Verhöre wie das Caraccis. Daraus hatte sich ergeben, daß sie sich beide, Mr. Pyke und Maigret, ohne Worte verstanden. In dem Augenblick zum Beispiel, als der Wirt des Nachtlokals in das Büro der Inspektoren geführt worden war, dessen Tür man sorgfältig schloß, war in den Augen des Engländers die deutliche Frage zu lesen:
    »Jetzt geht man wohl zu handgreiflicheren Methoden über?«
    Ja, wahrscheinlich. Man faßt Leute wie Caracci nicht mit Glacéhandschuhen an. Nun, und wenn schon. Das hatte nichts zu sagen. Der Fall war völlig uninteressant. Der Barmixer war zweifellos deshalb erschossen worden, weil er sich selber nicht ganz einwandfrei verhalten hatte oder weil er zu einer der anderen Verbrecherbanden gehörte. Von Zeit zu Zeit rechnen diese Burschen miteinander ab, bringen sich gegenseitig um, und im Grunde ist das das Beste, was sie tun können.
    Ob Caracci spricht oder schweigt, früher oder später wird einer die Sache ans Licht bringen, ein Spitzel wahrscheinlich. Ob sie in England auch Spitzel haben?
    »Hallo! Ja. Ich bin’s. Wer? Lechat? Kenne ich nicht. Woher, sagen Sie, ruft er an? Aus Porquerolles? Geben Sie ihn mir.«
    Immer noch ruhte das Auge des Engländers unverwandt auf ihm, wie das Auge Gottes in der Geschichte von Kain und Abel.
    »Hallo! Ich kann sehr schlecht verstehen. Lechat? Ja. Gut. Ja, das habe ich verstanden. Porquerolles. Habe ich auch verstanden.«
    Den Hörer am Ohr, blickte er in den Regen, der an den Scheiben herunterrann, und dachte, daß in Porquerolles, einer kleinen Insel im Mittelmeer, vor der Küste zwischen Hyères und Toulon, jetzt gewiß die Sonne scheinen würde. Er war noch nie dort gewesen, aber man hatte ihm oft davon erzählt. Die Leute kamen braun wie Beduinen von dort zurück. Es war übrigens das erstemal, daß man ihn von einer Insel anrief, und er dachte daran, daß die Telefonkabel unter der Meeresoberfläche verlaufen müßten.
    »Ja. Wie? Ein kleiner Blonder in Luçon? Ja, ich erinnere mich.«
    Er hatte einen Inspektor Lechat gekannt, als er wegen einer ziemlich verworrenen Verwaltungsangelegenheit für einige Monate nach Luçon in der Vendée geschickt worden war.
    »Sie gehören jetzt also der Bereitschaftspolizei von Draguignan an. Und Sie sprechen aus Porquerolles.«
    In der Leitung war ein Nebengeräusch. Hin und wieder hörte man die
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