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Magma

Magma

Titel: Magma
Autoren: Thomas Thiemeyer
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bemerkte er, dass die Kugel ihre Farbe zu verändern begann. Sie wurde an manchen Stellen erst silbern, dann weiß. Und dann begann sie zu glühen.
    Mit einer Mischung aus Furcht und Verwunderung beobachtete Francesco Mondari, dass sich das Glühen entlang dünner Linien zeigte, Linien, die ganz eindeutig die Merkmale von Schriftzeichen trugen.
    Er wich noch weiter zurück.
    Das Äußere der Kugel veränderte sich jetzt dramatisch. Immer mehr wurde sie von einem Muster geheimnisvoller Zeichen überzogen. Und als sei das noch nicht genug, begann der Riss, den er dem Stein zugefügt hatte, ebenfalls zu leuchten. Einer blutenden Wunde gleich teilte sich der Stein über eine Länge von einem Meter. Tief in seinem Inneren vernahm Mondari ein Bersten und Knacken – als stünde das Objekt unter ungeheurem Druck und drohte jeden Moment zu platzen.
    Von panischem Schrecken erfüllt, verspürte Professor Mondari nur noch einen Wunsch: Er wollte so schnell wie möglich Distanz zwischen sich und dieses rätselhafte Gebilde bringen. Stolpernd und strauchelnd lief er in die Richtung, aus der er gekommen war. Seine Tasche, die Härteskala sowie sein über alles geliebtes Tagebuch vergaß er dabei völlig. Selbst den Kompass, das Andenken an seinen verstorbenen Vater, ließ er achtlos zurück. Nur weg, und zwar so schnell wie möglich. Er rannte, doch die vielen Buckel und Spalten behinderten sein Fortkommen. Sie schienen ihn festzuhalten, als wollten sie verhindern, dass er entkam. Er stolperte, stieß sich die Knie blutig, raffte sich wieder auf und torkelte unter Schmerzen weiter.
    Als das Plateau um ihn herum von einem gleißenden Lichtstrahl erhellt wurde, hatte er noch keine zehn Meter zwischen sich und die Kugel gebracht. Eine sengende Hitze ließ die Luft erglühen, brannte ihm die Kleidung vom Körper und fraß sich durch seine obersten Hautschichten. Seine Haare wurden von einem Gluthauch erfasst und in einer Wolke aus Asche davongeweht.
    Ein letzter animalischer Schrei entrang sich seiner Kehle.
    Francesco Mondari starb einen schnellen Tod. Als das gleißende Licht seinen Körper zu einer Wolke aus organischer Materie verdampfte, blieb nur ein weißer Staubschleier zurück, der in den blauen Himmel geweht und vom auffrischenden Nordostwind davongetragen wurde.

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    Teil  2 Das Erwachen
    2
    Fünfzig Jahre später …
    E s schneite schon wieder. Obwohl gestern offiziell Frühlingsanfang war, lag die gesamte Eifel unter einer dicken Schneeschicht begraben. Das weiß gestrichene Metallgerüst, auf dem das zweitgrößte schwenkbare Radioteleskop der Welt ruhte, verschmolz mit den umliegenden Hügeln zu einem Durcheinander aus blinden Schnittkanten und grauen Flächen. Ein gewaltiges stählernes Ohr, das den Gesängen der Sterne lauschte. Mit ihren einhundert Metern Durchmesser war die Empfangsschüssel von Effelsberg, die von sechzehn starken Elektromotoren über einen Schienenkreis bewegt wurde, momentan auf den Himmelszenit ausgerichtet.
    Marten Enders, der diensthabende Leiter des Teleskops, rieb sich den Schlaf der letzten Nacht aus den Augen. Er starrte auf die Ziffern der großen Digitaluhr. Fünf vor acht. Gerade noch genug Zeit für einen Kaffee und einen Keks, ehe der nächste Schwenk ausgeführt werden musste. Während er seine Tasse füllte, starrte er missmutig in den grauen Himmel. An den Klimaprognosen war doch etwas dran. Über die Jahre gesehen wurde es immer kälter. Vielleicht steuerte die Erde wirklich auf eine neue Eiszeit zu. Vielleicht war der Golfstrom bereits versiegt, und die Menschen hatten bisher nur noch nichts davon erfahren, weil ihre Regierungen nicht wussten, wie sie eine solche Hiobsbotschaft angemessen verkaufen sollten.
    Er nippte gedankenverloren an dem lauwarmen Getränk, als ein Piepsen ertönte.
    »Marten?« Die Stimme gehörte Jan Zietlow, seiner Assistentin, die eigentlich Janette hieß, diesen Namen aber aus tiefstem Herzen verabscheute.
    »Hm?«
    »Es ist Zeit.«
    Er blickte auf die Uhr. Sie hatte Recht. Er hämmerte mit seinem Handballen auf den großen roten Knopf. Ein Klingeln erklang über die Außenlautsprecher, und die orangefarbenen Warnleuchten auf dem Gelände fingen an zu blinken. Wenige Augenblicke später setzte sich das gewaltige, dreitausendzweihundert Tonnen schwere Monstrum aus Metall in Bewegung. Zuerst um die vertikale, danach um die horizontale Achse schwenkte der riesige Schirm, wie eine überdimensionale Satellitenschüssel, auf der Suche nach
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