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Magma

Magma

Titel: Magma
Autoren: Thomas Thiemeyer
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war er kein ausgebildeter Mineraloge, aber der Umgang mit diesem archaisch anmutenden Werkzeug gehörte für einen Geologen zum Alltag. Die Härteskala bestand aus zehn Mineralien mit aufsteigendem Härtegrad, beginnend mit dem fingernagelweichen Talk und endend mit der härtesten aller Substanzen, dem Diamanten. Hämatit lag irgendwo zwischen Härte fünf und sechs, also zwischen Apatit und Feldspat. Er griff nach dem Feldspat und versuchte, damit die Kugel zu ritzen. Doch so sehr er sich auch abmühte, das Ergebnis war gleich null. Der Feldspat hinterließ einen weißen Abrieb, war also deutlich weicher. Vielleicht handelte es sich bei der Kugel um eine besonders harte Spielart des Hämatit. Mondari, der keine Lust hatte, sich langsam hochzudienen, griff nach dem Korund mit Härte neun. Damit würde es schon gehen. Hämatit war deutlich weicher, müsste sich demnach also ritzen lassen. Er setzte das rotschwarze Mineral an, drückte und zog einen Strich. Eine weißliche Spur bildete sich, doch wiederum schien sie nicht von der Kugel zu stammen. Mondari befeuchtete seine Finger, rieb über die betreffende Stelle und warf einen Blick durch seine Lupe.
    Nichts.
    Nicht der geringste Kratzer.
    Der Professor lehnte sich nachdenklich zurück. Was er da gefunden hatte, war kein Hämatit, so viel war klar. Aber was war es? Mit zittrigen Fingern legte er den Korund zurück an seinen Platz und griff nach dem Säckchen aus Stoff, das in einem besonderen Fach der Schachtel lag. Er öffnete es und entnahm ihm einen Metallstift, in den ein Diamantsplitter gefasst war. Er hatte ihn noch niemals zuvor gebraucht, da sich im Alltag eines Geologen nichts mit der Härte eines Diamanten messen konnte. Der Edelstein funkelte in der Sonne. Vorsichtig setzte Mondari ihn auf die Oberfläche der Kugel. Diamant bestand aus reinem Kohlenstoff, der tief im Inneren der Erde unter so unglaublichen Druck geraten war, dass sich seine kristalline Struktur verändert hatte. Diamanten waren zwar hart, gleichzeitig aber auch spröde. Beim Herunterfallen konnte er leicht zerbrechen. Mondari hatte für seine Härteskala eine beträchtliche Summe ausgegeben, und das aus reiner Eitelkeit. Um einen echten Diamanten in der Sammlung zu haben, war er bereit gewesen, fast den doppelten Preis zu zahlen. Eine Investition, die, so hatte er gehofft, bei der weiblichen Studentenschaft Eindruck schinden würde. Dass er den Diamanten tatsächlich einmal brauchen würde, hätte er sich indes nie träumen lassen.
    Die glasklare Spitze kratzte mit einem hässlichen Geräusch über die Oberfläche der Kugel. Mondari blickte durch die Lupe. Kein Abrieb, kein Kratzer, keine Spur einer gewaltsamen Einwirkung. Wie es schien, waren sich die beiden Materialien ebenbürtig. Der Professor erhöhte den Druck. Das Kratzen wurde lauter, doch immer noch schien es keinen Sieger geben zu wollen. Er fühlte sich wie David im Kampf gegen Goliath. Schweißtropfen rannen ihm die Stirn herab und sammelten sich an der Nasenspitze. Mit einer ungehaltenen Bewegung wischte er sie weg. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Was hatte er da nur entdeckt? Noch einmal erhöhte er den Druck. Irgendwann würde diese verdammte Kugel nachgeben müssen.
    Seine Hand begann bereits zu schmerzen, doch er wollte nicht klein beigeben und presste noch einmal mit aller Kraft. Auf einmal gab es einen Knall.
    Ungläubig sah Mondari erst auf den Stift, dann auf die feinen glitzernden Krümel. Die Spitze war zerplatzt. Der Diamant war zerbröselt, verpulvert, weg. Ein Häufchen Staub war alles, was von seinem wertvollen Besitz übrig geblieben war. Er warf einen Blick durch seine Lupe und suchte nach einer Kratzspur. Vergeblich. Die Oberfläche der Kugel präsentierte sich in makelloser Unversehrtheit.
    Francesco Mondari fühlte Wut in sich aufsteigen. Er verspürte einen völlig irrationalen Hass gegen dieses urzeitliche Objekt, das sich allen seinen Bemühungen widersetzte.
    Mit zitternder Hand griff er nach Hammer und Meißel. Er platzierte den Stahlstift in eine der unzähligen Kerben, mit denen die Kugel überzogen war, hob den Hammer und ließ ihn mit aller Kraft niedersausen. Funken sprühten. Das Eisen federte zurück. Die Luft war erfüllt vom durchdringenden Singen des Metalls. Wieder schlug er zu. Noch mal. Und noch mal. Der Stiel des Hammers summte in seiner Hand, und noch immer war auf der Oberfläche der Kugel keine Veränderung zu sehen. Er wurde allmählich ungehalten. Ihm war warm, und die Sonne
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