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Magma

Magma

Titel: Magma
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Australien. Aber verglichen mit den Baumeistern der Trias waren diese Korallen blutige Anfänger.
    Er befeuchtete seinen Daumen und rieb über den freigelegten Untergrund. Seltsam, dass er so viel dunkler war als die darüberliegende Schicht. Gewiss, ein Wechsel in der Meeresströmung hätte eine neue Sorte von Nährstoffen und Mineralien heranschwemmen können, die sich auf die Färbung der Korallen ausgewirkt haben könnte. Doch Meeresströmungen änderten sich nicht so schnell. Die Farbveränderung hätte schleichend vonstatten gehen müssen. Hier aber war ein klarer Schnitt zu erkennen. Zwischen den beiden Schichten mochten hundert, maximal fünfhundert Jahre liegen, ein Wimpernschlag in der geologischen Zeitrechnung und bei weitem nicht ausreichend für eine solch drastische Veränderung.
    Mondari geriet ins Schwitzen. Er war auf etwas gestoßen – und das bereits nach so kurzer Zeit. Wunderbar! Und als sei das noch nicht genug, begann es um ihn herum zunehmend heller zu werden. Ein leichter Wind kam auf und trug die Nebelschwaden fort, an manchen Stellen schimmerte bereits der blaue Himmel durch.
    Er rieb sich die Hände. Das Abenteuer konnte beginnen.
    Mit neu entflammtem Eifer machte er sich daran, den seltsamen Untergrund freizuklopfen. Die beträchtliche Härte des tiefer liegenden Gesteins machte es leicht, die bröckelige Deckschicht abzulösen. Nach einer Stunde hatte er einen guten Quadratmeter geschafft. Schnaufend richtete er sich auf. Er nahm seine Brille ab, wischte sich den Schweiß aus den Augen und begutachtete sein Werk. Der Hammer zitterte in seiner Hand, teils weil er die Anstrengung schwerer Feldarbeit nicht mehr gewöhnt war, teils weil es ihm schwerfiel, seine Erregung zu unterdrücken. Er legte den Hammer beiseite und trat einige Schritte zurück. Was sich da seinem forschenden Blick präsentierte, war über alle Maßen ungewöhnlich. Es schien sich um einen Sphäroiden zu handeln, um eine Kugel, die mitten im Kalzit steckte. Legte man die Krümmung der freigelegten Fläche zugrunde und setzte sie in Relation zu dem gesamten Block, mochte ihr Durchmesser etwa zwei Meter betragen. Die Substanz, aus der sie bestand, hatte nichts mit den umliegenden Korallen gemein. Sie war aus irgendeinem grauen, metallisch glänzenden Material. Demnach konnte sie kein Produkt der Riffbildung sein. Plötzlich fiel ihm sein Kompass wieder ein. Er legte das Gerät auf die freigeklopfte Oberfläche. Die Nadel drehte sich wie verrückt im Kreis. Vielleicht bestand die Kugel wirklich aus Metall. Wie auch immer, sie war eindeutig ein Fremdkörper und gehörte nicht hierher. Nun war es nicht ungewöhnlich, dass Korallen auf ihrem Vormarsch alles überwuchsen, was sich ihnen in den Weg stellte. Dass die Kugel komplett eingeschlossen war, ließ also nur den Schluss zu, dass sie schon hier gelegen hatte, ehe das Riff gebildet wurde. Demnach musste sie zweihundert bis zweihundertfünfzig Millionen Jahre alt sein. Ungewöhnlich war aber nicht nur das hohe Alter, sondern vor allem ihre Form. Die perfekte Kugel war, ebenso wie der perfekte Kreis, ein Produkt der Mathematik, also des menschlichen Geistes. In der Natur kam sie nicht vor, sah man einmal von solch kurzlebigen Erscheinungen wie der ideal geformten Luftblase ab. Aber solche Perfektion war niemals von Dauer. Irgendwann nagte an allem der Zahn der Zeit und verformte jeden noch so symmetrischen Körper – je älter er war, desto mehr.
    Francesco Mondari musste erst mal tief durchatmen. Eine zweihundertfünfzig Millionen Jahre alte Metallkugel, das war etwas, was nicht leicht zu verdauen war. Wie um alles in der Welt konnte ein solches Objekt entstanden sein? Der Professor dachte, seinem Wesen entsprechend, zunächst an eine natürliche Ursache. Konnte es Mineralisationsprozesse geben, die solch gewaltige Geoden hervorbrachten? Wenn ja, hatte er jedenfalls noch nie davon gehört. Kugelige Mineralisation trat vor allem im hydrothermalen Bereich auf, bei der Bildung von Eisenoxidverbindungen wie Goethit oder Hämatit, was wiederum ein Hinweis auf das seltsame Verhalten seines Kompasses gegeben hätte. Knubbelige oder runde Formen waren hier keine Seltenheit, allerdings wurden diese oolithischen Objekte selten größer als zehn Zentimeter. Vielleicht hatte er soeben die größte jemals dokumentierte Hämatitknolle entdeckt …
    Mondari richtete sich auf. Jetzt nur keine voreiligen Schlüsse. Er öffnete die Tasche und griff nach seiner Mohsschen Härteskala. Zwar
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