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Magma

Magma

Titel: Magma
Autoren: Thomas Thiemeyer
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erreichte gerade mal die beiden ersten Reihen.
    »Lauter«, brüllte ein Student von hinten. Ein anderer rief: »Sie müssen das Mikrofon einschalten!« Vereinzelt erklang Gelächter, während Ella verzweifelt nach etwas suchte, um das Gerät in Gang zu setzen, einen Knopf oder Schalter, irgendetwas. Aber da war nichts. Das Pult war aus massivem schwarzem Kunststoff. Eine Spirale aus silbernem Metalldraht ragte daraus hervor, die das Mikrofon trug. Das war alles. Verdammte Technik. Das Blut pochte in ihren Ohren.
    In diesem Augenblick wuselte Bob auf sie zu, kaum dass er ihre Misere bemerkt hatte. Mit sicherer Hand griff er an den Mikrofonhals und drückte einen verborgenen Schalter. Ein Pfeifen erklang, das so durchdringend war, dass sich viele der Studenten die Ohren zuhielten. Bob schob den Lautstärkeregler nach hinten und das Pfeifen erlosch. Grabesstille herrschte im Hörsaal. Wenn Ella daran gezweifelt hatte, jemals die ungeteilte Aufmerksamkeit der Studenten zu erringen, so sah sie sich getäuscht. Jetzt hatte sie sie.
    »Danke Bob«, sagte sie, während ihre Stimme aus einer Vielzahl von Lautsprechern drang. »Ladies and Gentlemen, Applaus für Bob Iverson!« Gelächter brandete auf. Ihr Assistent verbeugte sich, warf ihr noch ein aufmunterndes Zwinkern zu und setzte sich dann neben den Projektor in der ersten Reihe.
    »Noch einmal herzlich willkommen zu
Geotektonik I
«, begann sie ihren Vortrag. »Ich freue mich, dass Sie so zahlreich hier erschienen sind. Wäre ich gutgläubig, würde ich annehmen, dass Ihre Anwesenheit auf purem Idealismus gründet und auf dem Interesse, eines der interessantesten Teilgebiete der Geologie kennenzulernen.« Sie lächelte. »Da ich aber in die Gesichter so vieler höherer Semester blicke, die diese Vorlesung mit Sicherheit nicht zum ersten Mal hören, kann ich nur vermuten, dass sich Ihre Neugier ein Stück weit auf meine Person bezieht. Nun, hier bin ich.« Sie blickte herausfordernd in die Runde. Keiner der Studenten sagte etwas, alle lauschten gebannt ihren Worten. Mit einem Lächeln wandte sie sich der Tafel und dem Gemälde zu. Sie tippte auf die kleine Gestalt mit den wehenden roten Haaren. »Zumindest einer von Ihnen scheint zu wissen, was ich so in meiner Freizeit treibe. Darf ich fragen, wer von Ihnen das Bild gemalt hat?«
    Zögernd ging eine Hand in der ersten Reihe in die Höhe. Es war ein hoch aufgeschossener Bursche, vielleicht zwanzig Jahre alt, mit krausen dunklen Haaren und einer randlosen Brille. Er saß im Kreise seiner Freunde, die ihm schadenfroh in die Rippen knufften.
    Ella lächelte. »Sie sind der Künstler?«
    Ein zaghaftes Nicken.
    »Na, dann kommen Sie doch mal nach vorn.« Sie ging auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Der Junge lief puterrot an, erhob sich aber, um vor seinen Kumpanen nicht als Feigling dastehen zu müssen.
    »Herzlich willkommen, Mr. …?«
    »Thompson.«
    »Mr.Thompson.« Sie führte ihn an die Tafel, direkt vor das Bild. »Mein Kompliment«, sagte sie. »Sie haben Talent. Darf ich Sie fragen, ob Sie mein Buch schon gelesen haben?«
    Der Bursche schüttelte den Kopf.
    Ella nickte. »Dachte ich mir, sonst wüssten Sie, dass mein Lieblingsrucksack grün ist. Aber das ist ein Fehler, der sich schnell korrigieren lässt.« Sie nahm das Buch vom Rednerpult und drückte es dem völlig konsterniert dreinblickenden Studenten in die Hand. »Bitte sehr«, sagte sie. »Es gehört Ihnen. Viel Vergnügen.«
    Der Junge begann zögernd zu lächeln. »Schreiben Sie mir noch eine Widmung hinein?«, fragte er in einem Anflug von Übermut.
    »Selbstverständlich, aber erst nach der Vorlesung. Zuerst würde ich gern mit dem Unterricht fortfahren. Wären Sie so gut, die Tafel abzuwischen? Danke. Darf ich fragen, wer von Ihnen das Buch ebenfalls nicht gelesen hat?«
    Bei fast der Hälfte aller Anwesenden schoss der Finger in die Höhe.
    Sie nickte. »Sehr clever. Aber bitte erwarten Sie nicht, dass ich Ihnen jetzt ebenfalls kostenlose Exemplare schenken werde. Es gibt aber einen gut sortierten Buchhändler am Ende der Hauptstraße, und diejenigen, denen das zu altmodisch ist, können es ja bei Amazon bestellen.« Wieder Gelächter. Ella spürte, dass sie das Eis gebrochen hatte. »Dann darf ich bei der anderen Hälfte also voraussetzen, dass Sie mit den Grundzügen der Plattentektonik vertraut sind? Sehr schön. Wenn Sie möchten, dürfen Sie jetzt den Hörsaal verlassen.«
    Vereinzelt erklang Gelächter, aber niemand rührte sich.
    »Dann darf
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