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Magische Insel

Titel: Magische Insel
Autoren: L. E. Modesitt
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und ihren Nachkommen in der Hölle verschrieben. So lange, wie ich durch die Wüsten geritten war und mich geweigert hatte, die ewige Buße zu begreifen, die meinem Vater auferlegt war … und auch Justen, dem verdammten Grauen Magier, vielleicht dem einzigen wahren Grauen Magier.
    Ein Faden Erinnerung, dann der nächste und der nächste … Mit jedem Faden wuchs die Traurigkeit. Mit jedem Faden stieg der Fluss der Tränen, der von den Westhörnern bis zu den Osthörnern hätte fließen können, um sich in die Große Nordbucht oder in den Golf von Candar zu ergießen.
    Jedes Mal, wenn ein ursprünglicher Faden zurückkehrte, flog ein falscher Faden fort und klagte, weil noch ein Teil Sephyas gestorben war. Er sträubte sich dagegen, dass ich ihn von der darunterliegenden Traurigkeit und der unter einer harten Schale verborgenen Empfindlichkeit der Rothaarigen entfernte, die ich eigentlich nie richtig gekannt oder gesehen hatte.
    Mit jedem Faden zerschnitt ich meine Bindungen an Recluce, denn ich zerstörte eine Seele, um eine andere zu retten.
    Die letzten Fäden ersetzte ich rein mit dem Gefühl, da auch die Augen meines Verstandes mit Tränen gefüllt waren.
    Dann trat ich zurück in das bernsteinfarbene Licht dieses verfluchten Hauses. Meine Knie wurden weich, und ich versank in meiner eigenen Finsternis.
    Keine schöne Frau weckte mich mit einem Kuss, sondern der heisere Schrei einer Aaskrähe.
    Mein Mund war trocken, staubtrocken. Ein unsichtbarer Schmied benutzte meinen Schädel als Amboss. Mein Unterarm brannte und schmerzte scheußlich. Auch die Knie taten fürchterlich weh.
    Die Aaskrähe auf dem Dach über dem offenen Fenster beschwerte sich, dass sie nicht zu dem rohen Fleischbrocken gelangen konnte, der ich war.
    Mühsam setzte ich mich auf und blickte auf das Häuflein weißer Gewänder, das Antonin gewesen war. Die weißen Stiefel gab es nicht mehr.
    Dann schaute ich auf die Frau, die Tamra und Sephya gewesen war. Sie hatte sich neben dem Tisch aus weißer Eiche zusammengerollt. Ihr Haar war wieder so rot wie in meiner Erinnerung.
    Durch die offenen Fenster blies ein kalter Wind herein. Das schwache Nachmittagslicht und die langen Schatten verrieten mir, dass ich zu lang auf dem Marmor gelegen hatte. Mein schmerzender Leib war derselben Meinung.
    Das leise Knirschen im Mauerwerk brachte mich dazu, mich zu bewegen – ganz langsam zu bewegen.
    Ich stand auf, ging zu Tamra und berührte behutsam ihren bloßen Unterarm. Nichts. Nur ein schwacher Hauch von Chaos und ein überwältigendes Gefühl von Schmerzen und Verlust.
    Vorsichtig löste ich ihre Gliedmaßen aus der Verkrampfung und stellte sie auf die Beine. Sie ließ wie eine Marionette alles mit sich geschehen. Ihre Augen wirkten offen, aber leer, wie bei einer Porzellanpuppe. Mir war bewusst, dass dieser körperliche Zwang keine gute Idee war, aber ich konnte sie nicht tragen. Die Zeit drängte, Antonins Feste klang bereits, als würde sie bald einstürzen.
    Gemeinsam gingen wir mühsam die große Treppe hinab auf den Innenhof. Das Portal hatte sich schon gesenkt.
    Auch die Holzbrücke ächzte und senkte sich, hielt aber, bis wir hinübergewankt waren. Mein Herz klopfte so laut, dass ich es hörte, und mein Mund war völlig ausgetrocknet.
    Endlich standen wir jenseits des tiefen Grabens. Ich achtete nicht auf die verdammte Aaskrähe. Sofort setzte ich einen Fuß vor den anderen. Die Schritte wurden immer kürzer.
    Tamra ging leichter. Sie ahmte meine Schritte nach, ohne zu denken.
    An dem schattigen Platz, wo ich Gairloch zurückgelassen hatte, herrschte kein Schatten mehr, aber das Pferd stand da am Bach. Er hob den Kopf, als er mich kommen hörte.
    »Ja, ich weiß, ich war zu lange weg«, sagte ich und öffnete mühsam die Wasserflasche. Die Flüssigkeit belebte mich soweit, dass mir klar wurde, ich hätte leichter aus dem Bach trinken können.
    Das Wasser des Bachs war kalt. Auch Tamra trank davon, nachdem ich es ihr befohlen hatte.
    Dann setzte ich mich ans Ufer und packte meinen mageren Proviant aus. Der gelbe Käse schmeckte mir nicht besonders, aber es machte mir nichts aus. Nach der Stärkung fühlte ich mich besser.
    Ich bot Tamra ein Stück Brot an. Sie nahm es und betrachtete es gleichgültig.
    »Nur zu. Iß!«
    Mechanisch biss sie hinein. Ihre Augen wirkten immer noch so leer wie die einer Puppe.
    Es würde ein langer und mühsamer Rückweg nach Kyphrien werden. Dann widmete ich mich der Narbe an Tamras Hals. Ich wollte sie heilen. Tamra
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