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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Autoren: Giovanni Tizian
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die Anschläge auf die Lkws der nicht »autorisierten« Firmen. Diese Einschüchterungsversuche genügten, um einen Sinneswandel bei den Managern des Unternehmens herbeizuführen. In der Folge wurden die Ladenlokale wieder exklusiv durch Firmen von Ventrici beliefert.
    Von März 2010 bis Juli 2011 wurden in der Emilia-Romagna, in der Lombardei, in Piemont und Ligurien rund fünfzig Anti-Mafia-Operationen durchgeführt. Es kam zu über vierhundert Festnahmen. Güter im Wert von Hunderten von Millionen Euro wurden beschlagnahmt. Eindrucksvolle Zahlen, die die Macht der Mafien im Norden sichtbar werden lassen. Organisationen, die einen fruchtbaren Boden in einem System vorfinden, dessen Regeln von den Beteiligten selbst immer weniger eingehalten werden, und die mittels Korruption eine führende Rolle im Wirtschaftssystem Italiens spielen. Eine andere Zahl, die eine Vorstellung des Wandels der Mafien vermittelt, betrifft die Rechtshilfeersuche vonseiten der lokalen Anti-Mafia-Behörden und der nationalen Anti-Mafia-Direktion. Erstere haben zwischen 2009 und 2010 rund zweihundert Ersuche gestellt, letztere über 450. Die meisten kamen aus Neapel und Reggio di Calabria. Sie richteten sich zumeist an Deutschland, Spanien und die Niederlande. Andere gingen an Kolumbien, Bosnien, die Schweiz und San Marino.
    Rechtshilfeersuche und die beschlagnahmten beziehungsweise in Staatsbesitz überführten beweglichen und unbeweglichen Güter lassen den Umfang der Mafia-Macht im Norden wie im Süden Italiens sichtbar werden. Bis Anfang November 2010 wurden insgesamt 11 152 bewegliche und unbewegliche Güter endgültig beschlagnahmt. Die geografische Verteilung lautet wie folgt: 44,57 Prozent in Sizilien, 15,06 Prozent in Kampanien, 13,85 Prozent in Kalabrien, 8,58 Prozent in der Lombardei, 8,12 Prozent in Apulien, 4,32 Prozent in Latium und unter zwei Prozent in den übrigen Regionen.
    Die Lombardei ist also die Region des Nordens mit der höchsten Zahl an Beschlagnahmungen. Dort ist aber auch die juristische Anti-Mafia-Struktur am weitesten entwickelt. In diesen Gegenden beschäftigen sich Staatsanwälte systematisch mit den mafiösen Organisationen. Sie betrachten und analysieren sie als eine einheitliche Körperschaft und nicht als Banden gemeinschaftlicher Delinquenten. In der Emilia-Romagna bilden die Daten und Fakten nicht die Realität ab. Die ’Ndrangheta und der Casalesi-Clan haben hier ein Imperium geschaffen, das von Rimini bis Piacenza reicht. Dennoch sind hier Beschlagnahmungen und Überführungen in den Staatsbesitz selten. Erst seit Roberto Alfonso der dortigen Staatsanwaltschaft vorsteht, der von der nationalen Anti-Mafia-Direktion kam, ist eine Veränderung erkennbar geworden.
    Auch auf dem Gebiet der Kapitalvermögen kommt Schwung in die Sache. Im Juli 2011 belegte ein Ereignis erneut das Bild Modenas, das im Zentrum milliardenschwerer Projekte der ’Ndrangheta steht, zusätzlich zu dem – bereits erschöpfend belegten – Interesse des Casalesi-Clans an der Stadt. Ein Finanzberater und eine Anwältin aus Modena hatten sich »der kriminellen Gruppe zur Verfügung gestellt«. Die Mafiosi wollten einen Kredittitel der Geldwäsche unterziehen, der dem ehemaligen Diktator Indonesiens gehörte, mit einem aktuellen Wert von 39 Milliarden Dollar. Unter den in diesem Zusammenhang Verhafteten war auch Nino Napoli, »der dem vorbestraften Rocco Baglio nahesteht«. Dieser weist aber auch zu anderen führenden Mafiosi der Ebene von Gioia Tauro (Kalabrien) verwandtschaftliche Beziehungen auf.
    Napoli ist ein Speditionsunternehmer, dessen Lkws häufig auf den Straßen von Modena und Reggio Emilia gesichtet werden. Ihm wird unterstellt, zu den Gefolgsleuten von Rocco Antonio Baglio zu gehören. Napoli lebt in Rubiera, aber arbeitet in Modena, kennt die Selbständigen des Ortes und weiß, wie er sich verhalten muss, um keinen Verdacht zu erwecken. Er selbst ist in Polistena (Kalabrien) geboren, im Hinterland von Gioia Tauro (Region Reggio di Calabria). Aus Polistena stammt auch Baglio, der Ende der siebziger Jahre in die Emilia verbannt wurde. Von den Lkws bis zur Hochfinanz, das ist die ansteigende Parabel der beruflichen Erfolge Napolis.
    Paolo Baccarini ist einer der unverdächtigen Einwohner Modenas, den mit dem zur Finanz gewechselten Spediteur eine über die beruflichen Dinge hinausgehende freundschaftliche Beziehung verbindet. Baccarini arbeitet als Finanzberater, und »fühlte sich im Innern der Organisation wie zu Hause«,
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