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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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entgegen. Ach, der Zwerg sollte vielleicht bleiben.«
    Während die beiden Frauen nach draußen liefen, ging Alonzo tänzelnd zum Kamin und zog das Tuch von dem Gondril. In der Dunkelheit war der gelblichweiße Edelstein fast zu Knopfgröße angewachsen. Adalbert stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
    »Und Sie behaupten also, das sei Ihrer?« fragte Alonzo mißtrauisch. »Ich habe ihn nämlich ganz legal gegen eine Packung der allerbesten Lembas eingetauscht.«
    »Ein lächerlicher Preis!« rief der Zwerg. »Schon daran hätten Sie erkennen können, daß es sich um Diebesgut handelt. Ein paar Elbenwaffeln! So was Schönes ist natürlich viel teurer.«
    »Ach«, sagte der andere, »das ist mir neu. Die wirklich schönen Sachen habe ich bisher eigentlich immer völlig umsonst gekriegt. Wie wollen Sie eigentlich beweisen, daß das Ihrer ist?«
    »Ich habe noch sechs davon zu Haus!«
    »Verstehe ich nicht«, sagte der Waldhüter kopfschüttelnd, »wenn Sie schon sechs von der Sorte haben, wozu brauchen Sie den hier dann auch noch?«
    Die Frage verschlug Adalbert die Sprache. Er schluckte. »Damit es wieder sieben sind«, sagte er etwas töricht.
    »Meiner Frau gefällt der Stein«, brummte Alonzo. »Ich seh’s nicht ein.«
    »Wenn diese Kinder kommen, werden Sie schon sehen. Ich zwing sie zum Geständnis.«
    »Also wenn Sie die genauer kennen würden«, sagte Alonzo mitleidig, »würden Sie so was nicht glauben. Das sind ein paar ganz Abgebrühte. Die zwingt keiner zu was.«
    Adalbert wußte, daß er nur allzu recht hatte.
    Während all der Zeit hatte der Stein offen im Sonnenlicht gelegen. Der Zwerg sah darauf und stieß einen Schrei aus. Der Gondril war bereits deutlich geschrumpft.
    »Er wird kleiner im Licht, was?« fragte Alonzo mit unverhohlenem Interesse. »Und nachher wächst er wieder, nicht wahr? Toll!«
    »Nein! Nicht toll!« rief Adalbert hilflos. »Er soll sich nicht wandeln! Er soll still im Dunkeln liegen und so bleiben, wie er ist, weil. . ., er ist ein Wert. . ., er ist ewig . . .« Er brach ab. Vor den glänzenden, lebhaften Augen Alonzos schien ihm sein Gerede plötzlich seltsam hohl und sinnlos.
    »Für mein Leben gern wüßte ich, was die Sonne damit macht, wenn sie ihn auffrißt«, murmelte Alonzo. »Zu irgend etwas wird sie ihn ja nötig haben, glauben Sie nicht auch? Vielleicht verwandelt er sich? >Die Tromba erschallt<«, sang er mehr rauh als schön.
    Adalbert kam es vor, als habe er das schon einmal gehört.
    Draußen war es verhangen und tauig. Die beiden Frauen liefen aufs Geratewohl in den Wald hinein. Nässe legte sich über ihr Haar und durchfeuchtete ihre Schuhe. Sie fragten nicht nach der Richtung.
    Es war, als zöge sie ein Magnet zu der überhängenden Felswand, die sich zwischen den Tannen abzeichnete. In Leontines dichter Mähne verfingen sich Spinnweben und Tannennadeln. Donnas Gürtelgeschmeide blieb im Unterholz hängen, sie riß es ungeduldig ab.
    Die Wiese schien noch voll Mondschein zu sein, so kühl glänzten die Nebelschwaden, in denen schemenhaft die schlanke Gestalt einer äsenden Hirschkuh mehr zu ahnen als zu erkennen war.
    Die Frauen blieben stehen, erhitzt vom Lauf. Die Nebel wurden dichter. Dann erhob sich der Morgenwind. Aus den leuchtenden Schleiern trat Diana auf die beiden zu und begrüßte sie mit Kuß und Umarmung. Ihre Gestalt war kühl und ihre Berührung wie ein Hauch. »Wir wollen hier auf sie warten«, sagte sie. »Sie müssen gleich kommen.«
    »Hast du sie gesehen?« fragte Donna.
    Die Elbenfrau nickte freundlich.
    »Und - das Einhorn?« warf Leontine leise ein.
    Die andere lächelte, aber ihre dunklen Augen wurden nicht berührt von diesem Lächeln.
    »Ich weiß nicht«, entgegnete sie.
    Aus dem Wald kam Gesang. Zwischen den Stämmen leuchteten die feurigen Haarschöpfe der Kinder. Sie hielten sich an den Händen und sangen: »Bald prangt, den Morgen zu verkünden, die Sonn auf goldner Bahn.« Ihre Köpfe und Füße waren unberührt von der Nässe des Frühtaus, und ihre Wangen glänzten. Als sie die Frauen stehen sahen, ließen sie sich los und rannten mit ohrenbetäubendem Indianergeheul auf sie zu. Während sie eine Art Kriegstanz aufführten, formierte sich aus ihrem Gebrüll der Sprechchor: »Frühstück - Frühstück - Frühstück!«
    »In meinem Hause«, sagte Diana, was den nächsten Jubelsturm hervorrief.
    »Hattet ihr nicht Lembas?« fragte Donna.
    »Ham wir verfüttert«, entgegnete Rico.
    »An wen?« fragte Leontine rasch, »an das
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