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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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gesehen.«
    Sein Vorschlag fand allgemeine Billigung. Gemeinsam machte man sich auf den von ihm gewiesenen Weg, und bald sahen auch die Frauen das Licht, das wie ein Stern durch die Finsternis auf sie zukam.
    Adalbert hatte recht gehabt, es war Alonzos Haus. Durch das kleine Fenster leuchtete trüber Feuerschein, ungleich dem hellen Glanz, dem sie gefolgt waren. Sie spähten ins Innere. Niemand schien zu Hause zu sein. Da hörten sie hinter sich eine weiche melodische Stimme, mit dem spöttischen Unterton, wie er Elben eigen ist: »Seid willkommen, liebe Basen, und auch Ihr, Herr Zwerg, was auch immer Euch in diese Einsamkeit führt.«
    Ohne daß sie einen Schritt vernommen hatten, stand vor ihnen wie dem Boden entstiegen eine blasse Frau, umflutet von weißblondem Haar. Das Mondlicht umgab sie mit einem eigenen Schein.
    Adalbert faßte sich eher als die Frauen. Er verbeugte sich auf altväterliche Weise und strich würdevoll durch seinen silbrigen Bart. »Seid auch Ihr gegrüßt, Herrin der Wälder, denn zweifellos seid Ihr jene, die sich Diana nennen läßt. Ich kannte Euch früher.«
    »Mag sein«, sagte die Frau leichthin, und ihre dunklen Augen waren unergründlich. »Ihr setzt Eure Worte gut und versteht höflich zu reden, Herr Zwerg. Aber meine Frage habt Ihr nicht beantwortet. Kommt ihr als Schutzflehende oder Wandermüde? So steht euch das Haus offen.«
    »Wir kommen als Jäger!« sagte der Zwerg unbedacht.
    »Keine Empfehlung!« erwiderte Diana rasch und wollte sich abwenden, aber Leontine ergriff das Wort und nahm die Anrede der anderen auf: »Liebe Base, verzeih dem Erregten ein unbedachtes Wort. In Wahrheit sind wir Suchende. Drei schöne Kinder, die der da gehören, zogen aus in den Wald. Daß sie aus Schabernack oder Unbedacht etwas mitnahmen, was diesem höchster Schatz ist, brachte auch ihn auf den Weg. Hilf uns, wenn du kannst, und versage uns deinen Schutz nicht, wenn du die Herrin der Wälder bist.«
    Diana lächelte jetzt. Sie trat zwischen die Frauen und legte ihnen die Arme um die Schultern. »Elbenfreundinnen! Fürchtet euch nicht. Ich habe die Kinder gesehen, vor kurzem, als der Sommerregen niederging.« Sie kicherte. »Sie hielten mich für jemand anderes. Seid unbesorgt.«
    »Aber wo sind sie jetzt?« unterbrach Donna.
    Die helle Frau hob die Hand. »Nicht so ungeduldig. Dort im Wald und in guter Hut.«
    »Wie können sie in guter Hut sein, inmitten der unheimlichen Schwärze, die uns abweist?«
    »Sie weist euch ab? Sie ist freundlich.«
    »Leontine hörte einen dumpfen Ruf, es klang wie >zurück!<«
    »Ah!« sagte Diana, und auch sie schien leicht zu schaudern. »Ja, Stimmen gehn nachts hin und wider, und auch uns ist nicht alles bekannt. Es ist gut, darauf zu hören. Rastet bei mir bis zum Morgen, dann suchen wir gemeinsam und mit Hilfe des Hausherrn, der sich noch besser auskennt. Vertraue mir, Donna. Den Kindern geschieht nichts.«
    Sie öffnete die Tür der Hütte. Warmer Lichtschein fiel auf den Rasen.
    »Auch für Euch gilt die Einladung, Herr Zwerg mit der schnellen Zunge. Ich bin nicht nachtragend.«
    »Aber mein Pferd?« fragte Leontine.
    »Nimm ihm Zaum und Sattel ab und laß es auf dieser Wiese grasen«, entgegnete die Hausherrin. »Es wird nicht fortgehn.«
    Sie trat an das Tier heran, hauchte über seine Nüstern und sprach ihm sanft zu in unverständlichen Worten. Der Braune schnaubte und warf den Kopf zurück. Diana machte eine einladende Bewegung zur Tür.
    »Mein Stein! Mein Gondril!«
    Es war mehr ein Keuchen als ein Ruf, den Adalbert ausstieß. Mit ausgestreckten Händen, wie ein Schlafwandler, schritt er auf den Kaminsims zu, von dem her aus einem Durcheinander unordentlicher Papiere ein Glanz ausging, der das Kaminfeuer überstrahlte. Das gelblichweiße Juwel, inzwischen auf die Größe eines Kirschkerns geschrumpft, lag achtlos hingeworfen neben einer Handvoll Walderdbeeren und einer schöngeformten Wurzel.
    »Schließt Fenster und Türen! Löscht das Feuer!« lamentierte der Zwerg, indem er seine Hände über den Schatz breitete. »Laßt nicht mein höchstes Gut verkommen!«
    »Was habt Ihr, Tardak Aridon?« fragte die Hausherrin mit halbem Lachen. »Es ist ja dunkle Nacht. Ein bißchen Kaminfeuer wird so ein Gondril ja wohl vertragen.« Dabei ging sie ruhig hin und her, besetzte den Tisch mit Zinnbechern und goß aus einem großen Krug ein schäumendes Getränk ein.
    »Da sieht man den Elbenleichtsinn! Es wird nichts schaden, ja! Aber vielleicht ist er schon morgen
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