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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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sein Ton und die Geste seiner Hand, daß die schöne Echse ihm wie betäubt zu seinen Blattlampions folgte, in denen sich jeweils Wolldocht und Wachswabe befanden. Er beugte das Knie, damit Donna auf seinen Schenkel treten und so die Lichter erreichen konnte. Ohne Hoffnung reckte sie sich empor, hielt sich ein Nasenloch zu und pustete kurz.
    Die Kinder schrien auf vor Begeisterung, und ihre Mutter schrie fassungslos mit: loderte doch unter ihrem Hauch eine Flamme hell auf wie in alten Zeiten. Wie besessen eilte sie zur nächsten Lampe, um das Manöver zu wiederholen.
    »Na also«, knurrte Alonzo zufrieden, als habe sie sich nur ein bißchen geziert.
    Leontine, Diana und Schilderich nickten sich lächelnd zu. Dann fragte die Löwenfrau leise: »Was weißt du vom Bruder? Wollte er kommen?«
    »Ich weiß nichts«, sagte die andere. »Frag Apoll und die Musen, wo er ist. Frag Schilderich.«
    Leontine sah den Trompeter mit wehmütigem Lächeln an.
    Der hielt sein Instrument ans Auge und spähte mit gerecktem Hals in die Ferne. Darauf nahm er die Trompete zum Munde und blies die Melodie des Liedes »All mein’ Gedanken, die ich hab, die sind bei dir«.
    »Ins Herz zu schauen, vermagst du ihm wohl«, sagte Leontine betrübt, »doch wer könnte das besser als ich selbst? Aber was er tut und wo er geht, kann ich nicht erraten.«
    »Wohlan, die Zeit ist kommen, mein Pferd, das muß gesattelt sein«, spielte Schilderich.
    »Wer weiß, wann er hiersein wird«, seufzte die Löwenfrau.
    »Dränge den Bruder nicht«, antwortete ihr Diana leise, »was beunruhigst du ihn? Bedenk, was er einst um dich litt!«
    Leontine lächelte wehmütig. »Ich weiß ja. Und wahrscheinlich ist es gut, solange es weh tut hin und wieder. Aber was soll ich machen?« Sie sah über die Hügel, als hoffte sie auf ein Wunder.
    »Papa!« schrien Maggy, Norman und Rico wie aus einem Munde und stürzten zu Lindo und Adalbert, um sie zu umzingeln.
    »Der Kuchen ist gleich fertig!« verkündete der Jüngste.
    »Kommt sofort her und laßt den Herrn Adalbert zufrieden!« beorderte Donna, und als das wenig Eindruck auf die ausgelassenen Geschwister machte, fügte sie hinzu: »Oder wir schneiden den Kuchen noch ohne euch an!«
    Sofort kehrten die drei brav auf ihre Plätze zurück.
    Schilderich blies einen Willkommensgruß, woraufhin Adalbert, schon versöhnlicher gestimmt, brummte: »Ist der Feuerzauber vorüber?«
    Man bejahte einmütig, bis auf Donna, die tat, als habe sie die Frage überhört, und den Kuchen prüfte. Er hatte noch eine kleine Weile zu backen.
    Adalbert räusperte sich. Er wirkte verlegen. »Zwar habe ich keine Zutat zum Kuchen mitgebracht. . . und eigentlich ja auch schon mein Bestes zu geben versucht, obschon vergebens ...« Er stockte und begann noch einmal von vorn.
    Alles lauschte gespannt.
    »Nun also, ich dachte, als Gabe sozusagen, die alten Mißhelligkeiten zwischen Zwergen und Elben«, sein Blick streifte Donna, »und Drachen« (sie zuckte, und der Redner räusperte sich erneut), »also den alten Streit zu begraben und den einstigen Stein des Anstoßes zu beseitigen.« Er wurde ruhiger, und sein Blick ruhte auf Diana, die ihm freundlich und stolz zugleich gegenüberstand. Aus der Tasche zog er einen schmalen silbernen Armreif und bot ihn der Elbenfrau auf der flachen Hand dar. »Da, Fürstin Aina-Aglar, überbringt Tardak Aridon den Elben jenen Reif, den einst die Zwerge dem Lichtvolk aus dem seltenen Metall, das ihr ihnen gabt, schmiedeten und seine Herausgabe dann verweigerten. Einst besaß er große Macht über Schönheit und Vergänglichkeit, so munkelte man. Aber manche dunkle Jahre, die seither vergangen sind, haben seine Zauberkraft getrübt, falls sie nicht ganz geschwunden ist. Nur seine eigene Schönheit blieb bestehen.« Er betrachtete das schlicht wirkende Schmuckstück versonnen. »Ich wußte, daß sein Zauber vergangen war, aber verzeih, daß ich daran hing, obgleich er doch das rechtmäßige Gut der Elben war, denn ihr zahltet seine Herstellung lange im voraus.«
    Diana nahm den Reif von Adalberts Hand und steckte ihn auf den Arm. »Es ist gut«, sagte sie einfach. »Ja, seine Zauberkraft ist vorbei, und wir Elben - hatten wir ihn nicht schon vergessen? Laß uns, mit Menschen gemeinsam, in Eintracht leben hier auf den Hügeln, solange es uns vergönnt ist.« Dann wandte sie sich zu Dodo und Alonzo und hob die Hand, und trotz ihrer Worte war es allen, als ginge von dem schlichten Schmuckstück ein großer Glanz aus.
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