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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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Hoffnung. Leontine hingegen, die ihren Vater besser kannte, ließ den Mut sinken, denn der Magier küßte zwar beiden mit altmodischer Höflichkeit die Hand, aber er bot ihnen weder einen Platz noch eine Erfrischung an. Nicht einmal für Leontines dicke Nase, die er abschätzend musterte, hatte er eine Bemerkung übrig. Trotzdem fing sie tapfer an, ihre Bitte vorzutragen: das geplante Fest, der Wetterumschwung, die vereiste Wiese und Iguanadonnas Angebot, den Schnee wegzutauen, falls sie, »wenn’s sein muß, nur für heute«, ihre alte Feuerkraft zurückerhalten würde.
    Die Exzellenz sah niemanden an und ging händereibend im Raum auf und ab. Er räusperte sich ein paarmal, bevor er begann: »So - ehüm - also die aberkannten Ehrenrechte als mein Geschöpf wollen gnädige Frau zurückhaben. Was mich wundert, ja, es wundert mich in der Tat. Ich dachte, man hätte Stolz genug, um zu den Konsequenzen seiner Handlungen zu stehen. Nun ja. Und du, Tochter, machst dich zum Sachwalter einer so absurden Angelegenheit? Du müßtest mich besser kennen. Ein Fest als Vorwand . . . Nun also, Madame Iguanadonna, so muß ich denn, wenn man drauf besteht, es noch einmal wiederholen: Man verrät Darenna nicht ungestraft. Eins geht nur: Erde oder Feuer, und man hat gewählt. Außerdem, wer drei so reizende Kinderchen sein eigen nennt wie die, die vorhin versuchten, die Scheiben meines Labors einzuwerfen, was braucht der noch Feuer? Die machen ihm schon die Hölle heiß. Um ein Haar hätte ich die kleinen Bestien in Echsen verwandelt.«
    Donna schrie empört auf - wenn es um ihre Kinder ging, verlor sie immer die Übersicht. »Wagen Sie sich nicht an meine Kleinen, Excellenza, oder ich kratze Ihnen die Augen aus - dazu reicht es noch!«
    »Eine feine Art, um etwas zu bitten.«
    »Ich bitte um gar nichts. Ich dachte, die alten Geschichten könnten einfach begraben werden, aber ich hätte wissen müssen, daß Sie nachtragender sind als ein Elefant. Verzeihn Sie die Störung.« Erhobenen Hauptes schritt sie mit wiegenden Hüften dem Ausgang zu, aber als sie vor ihrem eigenen Porträt stand, übermannte sie die Wut, und sie versetzte der Konsole einen Fußtritt, der sie zum Umfallen brachte. Klirrend flog das Bild in die Ecke, Glas splitterte, und die beleidigte Drächin warf die Tür hinter sich zu.
    Darenna kicherte. »Immer noch eine großartige Frau, ich bewundere sie.«
    »Vater!«
    »Es geht um dein Fest, ich weiß.«
    »Es geht um Donna.«
    »O nein. Zwischen uns ist alles klar. Deinem Fest ist eventuell zu helfen. Geh nur zur Wiese. Ach, und hattest du nicht vor, Kuchen zu backen? Hier, tu das in den Teig. Mein Beitrag.« Er griff in die Tasche der Strickjacke und drückte der Tochter eine fingernagelgroße Kapsel aus weißer Masse in die Hand. »Entschuldige mich jetzt, ich habe zu arbeiten.«
    Seufzend wandte sich Leontine zum Gehen. Sie kannte den alten Mann und wußte, daß es vergeblich war, ihn weiter zu bitten.
    Als sie hügelabwärts lief, mußte sie die Jacke öffnen und dachte noch, sie sei vom schnellen Lauf erhitzt. Auf dem Weg zum Strom traf sie ein warmer Wind, als mische jemand Schirokko und Mistral durcheinander. Der Schnee schmolz wie von Feuerzungen weggeleckt. Die Rosen in den Gärten, die erfroren schienen, begannen wieder zu duften. Eine klare südliche Sonne schien ihr ins Gesicht.
    Von der anderen Seite näherte sich auf dem Uferweg ein Trupp kleiner, stämmiger Männer mit Schaufeln und Spitzhacken, angeführt von dem Zwerg Adalbert. Als sie die bereits wieder ergrünte Wiese sahen, begannen die kleinen Männer verwirrt aufeinander einzureden.
    Neben Leontine ertönte ein kreischendes Lachen. Donna hielt sich die Seiten. »Ein grotesker Einfall! Kommen sie an, und da hat Exzellenz die Sache schon geklärt!« Sie brach ab und sagte leise und grimmig: »Lieber tut er ein Wunder, als daß er verzeiht.« Dann lehnte sie die Stirn an den Stamm des Weidenbaums und brach in Tränen aus.
    Leontine entfernte sich leise. Sie wollte den Stolz der anderen durch dummen Trost nicht noch mehr verletzen. Als sie auf die Wiese trat, merkte sie, daß die Schneenässe nur noch wie leichte Taufeuchtigkeit auf den Gräsern lag. Aber ach, vieles war verdorben. Die bunten Bänder baumelten schwer von den Stangen, die Lampions, die man schon am Vorabend aufgehängt hatte, waren zu häßlichen Stücken Pappe geschrumpft. Einzig die große Feuerstelle, auf der Leontine den Sommerabschiedskuchen backen wollte, in den jeder ein
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