Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
Vom Netzwerk:
Bewegung machte, als wolle sie den Beleidigten zurückhalten. »Er kommt sowieso zurück. Und bekanntlich schadet er mehr, als er nützt.« Er warf einen kühlen Blick auf seine Frau.
    »Guten Morgen, liebe Nachbarn«, ließ sich eine grämliche Stimme vernehmen. »Das sieht ja alles andere als erfreulich aus.« Hinter ihnen stand Adalbert im Kapuzenmantel, den silberweißen Bart als Schal um den Hals gewunden, in festen Stiefeln, die Hände in robusten Fäustlingen. Sein Blick glänzte, ganz im Gegensatz zu seinen pessimistischen Worten. Wie er so mit gespreizten Beinen im Schnee- und Eismatsch aufgepflanzt stand, ging etwas ungeheuer Herausforderndes von ihm aus, und seine schöne Nachbarin, die ehemalige Drächin, war nicht das Geschöpf, bei irgendeiner Provokation stillzuhalten.
    »Was heißt: alles andere als erfreulich?« wiederholte sie. »Das wäre eine Kleinigkeit für mich, wenn ich so könnte wie früher.« Sie schnob durch die Nase. »Ich würde den Platz schon freipusten!«
    »Tja, wenn das Wörtchen wenn nicht wär!« knurrte der Zwerg. »Aber bestimmte Dinge sind wohl unwiederbringlich dahin.«
    »Das käme auf einen Versuch an!« bemerkte Donna mit kreischender Stimme.
    Adalbert streifte sie mit einem vernichtenden Blick. »Wie auch immer der aussehen sollte«, entgegnete er, »ich, im Gegensatz zu anderen, schätze meine Kräfte und Beziehungen richtig ein. Ich erbiete mich, bis Mittag mit den Meinen den Platz frei zu machen. Das Geschwätz der anderen geht mich nichts an.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging, die Daumen in den Gürtel gehakt, wiegenden Schrittes davon.
    Donna war weiß vor Wut. »Das werden wir sehen«, murmelte sie. Sie straffte sich und sah Leontine an, dann ihren Mann. »Du kommst mit«, bestimmte sie. »Und du paßt auf die Kinder auf.« Sie griff nach Leontines Handgelenk.
    »Wohin?« fragte die verdutzt.
    »Zu deinem Vater«, erwiderte die andere bestimmt. »Er soll diese Einschränkung von mir nehmen. Jedenfalls für heute.«
    »Aber. . .«, wollte die Löwenfrau einwenden, doch Donna schnitt ihr das Wort ab. »Schließlich ist es unser Fest. Und dein Vater. Und außerdem . . ., es ist ungerecht. Oder?« Sie zog die kaum noch Widerstrebende hinter sich her - mit einem Hinweis auf Gerechtigkeit konnte man Leontine meist fangen.
    Lindo sah ihnen nach, verglich dann mechanisch seine Uhren. »Gottbewahre, daß sie wirklich wieder anfinge, Feuer zu speien«, murmelte er und kratzte sich am Kopf. »Übrigens - ja, wo stecken die Kinder eigentlich?«
    Ein Hagel von steinharten Schneebällen traf die beiden Frauen an Hals, Brust und Kopf. Leontine schrie auf und hielt sich die Nase: Sie hatte einen Volltreffer ins Gesicht bekommen. Donna schrie auch, und zwar die Namen ihrer Kinder, die prompt aus den Rhododendren vor Darennas Einfahrt auftauchten und unschuldsvoll lächelnd auf sie zukamen.
    »Wo ist euer Vater!« kreischte die Drächin, und Norman fragte zurück: »Wieso? Sollten wir auf ihn aufpassen?«
    »Und was wollt ihr hier?« murmelte Leontine hinter dem Taschentuch, das sie sich vors Gesicht preßte. Ihre Nase blutete.
    Maggy stieß den kleinen Bruder in die Seite und frohlockte ungeniert: »Volltreffer, Rico!«, während Norman grinsend erklärte: »Wenn das Tor schon offensteht, kann man sich ja die weitberühmte Sudelküche auch mal ansehen. Also Geräte stehen dahinten ... Was wollt ihr denn hier?«
    »Wir gehen zu Darenna«, erklärte die Mutter entschieden und erreichte damit, daß sich die drei sofort an den Händen faßten und ihren Entschluß kundtaten mitzukommen.
    »Aber Vater kann Kinder nicht leiden!« entfuhr es Leontine.
    Die Echse und ihr Pack kicherten.
    Dann sagte Donna mit ungewohnter Sanftmut: »Geht zu eurem Vater und paßt auf ihn auf. Mittags kommt ihr zur Wiese. Wenn wir Glück haben, werdet ihr etwas sehr Schönes zu sehen bekommen, eine Sache, die ihr ganz bestimmt verhindert, wenn ihr jetzt mitkämet.«
    Der Ton wirkte. Maggy murrte zwar: »Wieso? Ist denn Weihnachten, daß wir auf Überraschungen warten?« Aber sie gingen. Schlitternd, rutschend und rufend, entfernten sich die drei Rotköpfe vom Grundstück des Magiers, zur ungeheuren Erleichterung Leontines, der die ganze Angelegenheit ohnehin mehr als peinlich war. -
    Darenna empfing die beiden Frauen unverzüglich in seinem Observatorium. Mit einem Seitenblick stellte die Drächin fest, daß ihr Bild auf der verschnörkelten Konsole immer noch den Raum schmückte, und sie schöpfte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher