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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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und er begann zu lachen. »Du bist ja ein süßes Mädchen«, rief er, »darf ich dich auch mal anfassen?«
    Die Drächin nickte schamhaft. Er fand ihre Außenseite rauh, scharf und kalt, den weichen Bauch aber warm und glatt. Als er die Flanke berührte, kicherte sie, und er zog schnell die Hand zurück.
    »Wie war doch dein Name«, fragte er, und sie wiederholte: »Iguanadonna Saurischia.«
    »Ich werde dich Donna nennen«, entschied er, »aber um eins bitte ich dich: Sprich leise, leise! Deine Stimme ist wirklich abscheulich. Und in gutem Geruch stehst du auch nicht gerade, Pech und Schwefel ist nicht unbedingt mein Fall. Ich werde dir ein französisches Parfüm besorgen, mein Tierchen. Gut, du bist nun also da. Was soll als nächstes passieren?«
    Bemüht, ihre Stimme zum Flüstern zu dämpfen, lispelte die Drächin: »Abendessen.«
    »Das ist recht und billig«, sagte der Sänger. »Gehacktes, wie?«
    Donna nickte.
    »Hoffentlich treibe ich das auf. Schließlich war ich nicht auf dich vorbereitet, meine Schöne.«
    Im Kühlschrank war nichts dergleichen. Aber in der Tiefkühltruhe entdeckte er nach längerem Suchen ein Päckchen Schabefleisch. »Es wird wohl nichts werden mit deinem Abendessen, Kleine«, bemerkte er. »Das ist frühestens morgen aufgetaut.«
    Donna schüttelte das schuppenbewehrte Haupt, legte das Paket auf die Herdplatte, hielt sich die Kralle vor das eine Nasenloch und schnob aus dem anderen kurz über das Fleisch hin. Die Folie schmolz wie im Ofen. Das Fleisch taute in fünf Sekunden völlig auf und ging an einer Seite bereits in den Zustand des Gebratenseins über.
    »Prächtig«, sagte Klinger, dem ein bißchen beengt zumute war ob dieser Leistung. »Mit dir kann man den Herd einsparen.«
    Unterdessen machte sich das Drachenweibchen in seiner Küche zu schaffen, als sei es da schon jahrelang heimisch, deckte den Tisch mit zwei Bestecken, aber nur einem Teller, tat auf diesen das Gehackte und sah seinen Herrn und Gefangenen erwartungsvoll an. Er begriff, bot Donna den Arm und führte sie zum Platz, rückte den Stuhl, setzte sich daneben. Sie begann manierlich mit Messer und Gabel zu essen, nicht ohne ihn wiederholt aufzufordern, sich an ihrem Mahl zu beteiligen, und er mußte mehrfach erklären, daß er so spät nichts äße.
    »Eigentlich ist es gegen den Kontrakt«, sagte die Drächin mit einem Anflug von Strenge, und da Klinger fragend die Augenbrauen hochzog: »Wissen Sie denn nicht, daß Sie die Variante Froschkönig unterschrieben haben - natürlich bis aufs An-die-Wand-Werfen?« Sie kicherte geziert.
    Der Elb sah vor sich hin. »Eine verdammte Angewohnheit, Verträge zu unterzeichnen, ohne sie durchzulesen«, murmelte er. Und zu Donna: »Das Kleingedruckte, was?« Er lächelte grimmig, und sie schlug wieder die Augen nieder. Bei dem Gedanken daran, das süße Ungeheuerchen neben sich auf dem Kopfkissen zu haben, war ihm gar nicht wohl, denn abgesehen von anderen Unannehmlichkeiten - was, wenn die Drachendame im Traum ihre gute Erziehung vergaß und ihn einfach unfachiert, ohne Pfeffer und Salz verschluckte? Er sann auf Änderung.
    Nach dem Essen plauderte er heiter und schmeichelnd mit dem artigen Monster, und eingedenk des Hinweises, daß Drachen Gold und Geld lieben, versprach er ihm, gleich beim nächsten Gastspiel in einer der reichen Hauptstädte der Welt einen schönen Schmuck zu kaufen, wie es ihn sich selbst aussuchen würde. Kurz und gut, noch keine Stunde später hatte er dem Geschöpfchen durch Freundlichkeit so weit den Kopf verdreht, daß es ein leichtes war, es zu überreden, statt im Bett im Vorzimmer zu schlafen, den Kopf auf der Brieftasche.
    Kurz vor dem Zubettgehen eröffnete ihm das perfekte Tier noch, es könne auch Auto fahren und Klavier spielen und stünde seinem Gebieter mit allen Künsten zur Verfügung.
    »Natürlich, Exzellenz denkt an alles«, bemerkte Klinger trocken und schloß mit einem Aufatmen die Tür seines Schlafzimmers, wo er, mit sich allein, die Lage überdenken konnte.
    Auf seiner Brust brannte das Feuerzeichen in einem zugleich süßen und zehrenden Schmerz. So befand er sich nun also, Leontine im Herzen und einen Drachen im Haus! Ihm war klar, daß Donna ihm in Zukunft kaum einen Schritt allein zu tun erlauben würde. Selbst wenn sie bis über ihre beiden Echsenohren in ihn verliebt war - und es schien nicht allzu schwer zu sein, sie dahin zu bringen -, würde das ihre Wach-Instinkte eher noch schärfen und sie keineswegs nachsichtiger gegen
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