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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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daß ihm ein ungnädiger Empfang zuteil ward. Das erschreckte Monster fauchte und ließ Flammen züngeln, und Klinger mußte es gut füttern, ehe sein Atem wieder die richtige Temperatur hatte. Obgleich die Drächin sozusagen nicht gezielt gewütet, sondern nur vor sich hin getobt hatte, war er doch beeindruckt von der Wucht ihres Unwillens.
    »Nicht mal Brötchen holen kann ich, oder?« fragte er vorwurfsvoll, als sie sich beruhigt hatte.
    »Doch«, erwiderte sie und züngelte kurz, »aber ich muß es wissen.« Offenbar war ihr der Ausbruch ein bißchen peinlich.
    »Und zu Leontine gehen?« forschte er gleich weiter.
    »Leontine?« lispelte sie kreischend, »wer ist denn das?«
    Klinger schlug verzagt die Augen nieder. Es war klar, sie wußte von nichts. Dieser abgefeimte Feuersalamander!
    »Schrei nicht so!« fuhr er sie an und preßte die Hände an die Ohren. »Ich hab dir schon gestern gesagt, daß ich deine Stimme nicht ausstehen kann!«
    Sie nickte erschrocken mit dem goldbekammten Kopf, und ihre schönen Augen füllten sich mit Tränen.
    Schon tat sie dem gutherzigen Elben leid. »Hast du mir nicht deine Dienste angeboten?« fragte er, um sie zu versöhnen. »Auto fahren, nicht wahr?«
    Sie verbeugte sich. »Zu Ihrer Verfügung, Euer Wohlgeboren, Auto fahren!« erwiderte sie beflissen.
    »Aber - was werden die Leute sagen, wenn sie dich am Steuer meines stadtbekannten Wagens sehen?«
    »Wir fahren so schnell, daß uns keiner erkennt«, versprach die Echse.
    Klinger mußte lachen. »Also los! Worauf warten wir?« feuerte er sie an.
    Der Wagen des Sängers hatte ein aufklappbares Verdeck, und in seiner übermütigen Laune schlug er es zurück, das Wetter war schließlich schön.
    Die kleine Drächin überprüfte fachmännisch Bremsen, Reifen und Benzinstand, steckte den Schlüssel in die Zündung und startete fulminant. Klinger saß neben ihr, seitlich zurückgelehnt, und lachte Tränen. Der glatte Reptilienkopf mit der gespaltenen Zunge, die hin und wieder hervorkroch, die manikürten Hände mit dem Stacheldaumen am Lenkrad erschienen ihm unwiderstehlich komisch.
    Das Drachenweibchen nahm die Kurven, als seien Steinchen im Weg, denen es auszuweichen galt, sauste die Hügel hinab und hinauf, als wäre es die Achterbahn, überquerte ein paar Hauptstraßen, ohne die Vorfahrt zu beachten, und rauschte das Tal zwischen Fluß und Hügeln entlang wie eine Kegelkugel auf gebahnter Fläche.
    Klinger jauchzte vor Entzücken. Die Landschaft floß in bunten Farben an ihm vorbei, alle Düfte erwachten, der Wind griff ihm ins Haar, alles vermischte sich bunt und schimärisch. Er erhob sich und reckte sein Gesicht der brausenden Welt entgegen, sehr lebend, sehr liebend.
    Als die Straße endete, feuerte er die Drächin an: »Weiter, Donna, laß nicht nach! Schneller, schneller!«
    Der Zaun, gegen den sie prallten, war von elastischem Draht. Sie flogen beide in hohem Bogen ins Weideland, die Fahrerin links, er rechts. Zerschunden, leicht betäubt, mit zerrissener Kleidung und blutender Nase richtete er sich auf. Die Lachtränen waren noch nicht getrocknet in seinen Augenwinkeln. Donna saß da und schüttelte ihre Schuppen und Edelsteine, daß es klirrte, erhob sich, warf einen kurzen Blick auf das Autowrack und humpelte zu ihm.
    »Haben wir noch ein zweites Auto?« fragte sie sachlich.
    »Im Augenblick nicht«, entgegnete Klinger, und neues Lachen gluckste in seiner Kehle. »Weder hier noch zu Haus. Das zweite ist für eine Woche in der Werkstatt.« Um seinen Mund zuckte es. »Und wie komme ich morgen nach Salzburg?«
    »Wien«, verbesserte Donna. »Salzburg ist ein Irrtum. Morgen singen Sie in Wien.«
    »Schön. Und wie komme ich nach Wien?«
    Staubbedeckt, zerschrammt, das Seidenhemd zerrissen und fleckig, einen offenbar trotz seiner Kleinheit entsetzlich schweren Beutel bald in der Rechten, bald in der Linken, bald auf dem Rücken schleppend, so sahen die erstaunten Nachbarn der Hügel den großen Norman Klinger mühselig zu seinem Haus hinaufhinken.
    Völlig erschöpft ließ der Sänger drinnen die brenzlig riechende Tasche aus der Hand fallen und warf sich gleich daneben auf den Rasen seines Wohnzimmers. »Um des Himmels willen«, ächzte er, »wer hätte das gedacht, daß so ein spannenlanges Ungeheuerchen so schwer ist! Mir tut alles weh! Und wundern soll es mich nicht, wenn ich zu dem einen Brandmal noch ein halbes Dutzend dazubekommen habe, so heiß war das!«
    Aus dem Beutel kroch die auf Salamanderformat verkleinerte
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