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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger
Autoren: Max Catto
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Litauer dann.
    »Mehr können Sie nicht über einen Kameraden erzählen? Er kann nichts mehr sagen, aber er will gehört werden.« Die blassen Augenbrauen verflachten sich, unter gesenkten Lidern hervor sah ihn der Mann an. »Sind Sie Katholik?« fragte der Oberst.
    »Nicht gerade ein guter.«
    »Wann waren Sie das letztemal in der Kirche?«
    »Das ist lang her.«
    »Aber Sie sind immer noch Katholik? Nun, Sie wissen ja, daß Sie sich schuldig machen, eine arme Seele zu unterdrücken. Und das ist eine Todsünde. Der da wenigstens«, rief der Oberst mit plötzlicher Grausamkeit, wobei er auf den Alten zeigte, »wird sich in wenigen Stunden vor dem Thron der Gnade reinwaschen können.« Aus den Augenwinkeln heraus konnte er beobachten, wie sich der Mund des Alten schmerzlich verzog – also doch nicht Agnostiker durch und durch.
    »Sie aber«, fuhr er fort und wandte sich zu dem Mann, der Uschtschinski hieß – welch ein Name, man verrenkt sich die Zunge – und wie blaß sieht er jetzt aus! »Sie werden diese Sünde Ihr ganzes Leben lang herumschleppen. Sie also sind der nächste Zeuge, verstanden? Und ein Wunder wird geschehen«, es klang wie ein Befehl, »Sie können jetzt sehen, Sie können hören und sich erinnern. Vorläufig aber setzen Sie sich dorthin und halten den Mund. Reden dürfen Sie erst, wenn Sie aufgerufen werden.«
    »Das ist doch unerhört!« warf der Vizepräsident leise dazwischen.
    »Ich bin kein Totengräber, Senhor. Ich achte die Wahrheit zu sehr. Um sie Ihretwegen zu begraben, bin ich nicht gekommen.« In Gedanken schloß er den Brief an seine Frau: »Wie stolz wärst Du auf meine Worte, Eleanor! Ich breche eine Lanze für die Wahrheit – oder wie immer man diese seltsame Sache nennen mag.«
    Dann wandte er sich mit einem Ruck dem nächsten Zeugen zu. »Joseph Michel Toussaint?«
    »Ja, mon Colonel. «
    »Sie also sind Pharmazeut. Durch einen merkwürdigen Zufall gehört der Arzt, Luke Craig, auch zu den Toten. Sie waren sein Mitarbeiter?«
    »Ja, mon Colonel , aber …«
    »Nur ich frage, Sie antworten, verstanden? Sie sind Belgier?«
    »Ja. Als das Furchtbare geschah, kümmerte ich mich nur um die Verletzten …«
    »Maul halten! Nur antworten, und zwar rasch! Sonst pack’ ich Sie beim Genick!« Entsetztes Schweigen. »Wo ist Ihr Paß?«
    Stille. Der Mann schien zu schrumpfen. Wie nur ist’s möglich, in so kurzer Zeit so vom Fleisch zu fallen? fragte sich der Oberst. »Vielleicht sind Sie gar kein Belgier?« fragte der Oberst ironisch. »Vielleicht Russe? Vielleicht Kommunist?« Er hörte den Atem des Mannes durch die Kehle pfeifen, ließ ihn aber nicht zu Wort kommen, sondern fuhr im gleichen Ton fort: »Ich kann Sie monatelang einlochen, so lange, bis Sie gestehen. Der Arm des Gesetzes erreicht Sie dort nicht. Wissen Sie, was Ihnen alles blühen kann?«
    »Mon Colonel , ich bitte Sie im Namen Gottes …«
    »Rufen Sie nicht Gott an! Den vertrete ich hier. Und nun werden Sie mir alles erzählen, so wie es war. Auch an Ihnen geschieht ein Wunder: Sie leiden jetzt nicht mehr an Amnesie. Sie sind also Zeuge Nummer drei. Setzen Sie sich, und warten Sie, bis man Sie aufruft!«
    Seht ihr? dachte der Oberst. Ein bißchen soldatische Frische, und alles geht wie am Schnürchen!
    Er wandte sich dem letzten Zeugen zu, dem Mexikaner. Dem braunen Gesicht entströmte Angstschweiß, als drückte man einen Schwamm aus. »Carlos Gomez?« begann der Oberst sanft.
    »Ja, Herr General.«
    »Keine Beförderung, bitte! Das steht einem solchen Schmutzfinken, wie du einer bist, nicht zu. Du bist Küchengehilfe?«
    »Ja, Herr Oberst.«
    »Durch einen merkwürdigen Zufall, den dritten – wie interessant sind doch diese Zufälle verteilt! –, ist der Kantineur Inocencia Sardonas, allgemein Charley genannt, auch unter den Toten. Ich muß wohl nicht erst fragen, ob du für ihn gearbeitet hast?«
    »Herr Oberst …«
    »Du bist Mexikaner? Ach so, einer der unseren«, sagte der Oberst unendlich gütig. »Dich kann ich unbehelligt für den Rest deines Lebens einlochen.« Im Geiste fügte er dem Brief an seine Frau noch eine Nachschrift hinzu: »Ich bin froh, daß Du nicht hier bist, Liebste. Dein Dich liebender Manuel ist im Begriff, in Primitivität zurückzufallen!« Er dachte es und schlug dem Mexikaner klatschend ins Gesicht, einmal links, einmal rechts. Ihm war, als fielen die Knochen, die den Mann zusammenhielten, auseinander wie ein gelockertes Gerüst. Das Entsetzen, das alle auskosteten, ließ er ein wenig
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