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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger
Autoren: Max Catto
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Liquidieren werden Sie ihn!«
    Der Vizepräsident sah ihn befremdet an, der Oberst aber wußte: Ich werde wohl nie einem dieser Klubs beitreten dürfen.
    »Wir sind ja nicht die Gestapo.«
    »Sicher nicht.«
    »Das Direktorium wird sich die Entscheidung vorbehalten«, erklärte der Vizepräsident. »Das liegt nicht in meiner Hand.« Und der Oberst dachte: Fürwahr, Gottes Bote beschmutzt seine Finger nicht mit Gottes Rache. Sich darum zu kümmern, gibt es in einem vielstöckigen Gebäude im Staate New Jersey ein Allerheiligstes. Wieder sah er zu dem Mann hinüber, der einsam in der sengenden Sonne hockte, und vermerkte in seinem imaginären Brief: »Er sieht wie tot aus, und er ist es auch. Das weiß er.«
    Dann blickte er flüchtig auf seine Uhr, hörte, ohne zu begreifen, den Ankläger eintönig Worte sprudeln: »… der Grundsatz der lex scripta nach Römischem Recht …«, und brüllte: »Schweigen Sie!«
    »Herr Oberst?«
    »Niedersetzen! Ich will in diesem Backofen hier im Dschungel nicht meinen Urlaub verbringen, um mich von Ihnen in Römischem Recht unterweisen zu lassen.«
    »Es gibt gewisse Richtlinien …«
    »Ich gedenke, mich an meine eigenen Richtlinien zu halten. Schluß jetzt! Ein Wort noch, und Sie fliegen hinaus!«
    Dem Vizepräsidenten entfuhr ein Schreckenslaut: als hätte bei einer Party ein Pudel plötzlich wie eine Kobra gezischt und einen Gast gebissen.
    »Fünf Minuten Pause, dann beginne ich das Zeugen verhör«, erklärte der Oberst.
    »Wie Sie wünschen«, sagte der Ankläger.
    »Steht in der lex scripta auch etwas über Kaffee?«
    »Ich lasse einen bringen.«
    »Und ein bißchen Rum dazu, ja?« Freundlich fügte der Oberst hinzu: »Nichts für ungut. Hätte ich Sie in meinem Regiment, würde ich noch einen guten Juristen aus Ihnen machen.«
    Er öffnete seine Gürtelschnalle, das Koppel fiel in seine Teile. Er legte die Pistolenhalfter auf den Boden. Ich werde doch hoffentlich nicht einen der Zeugen erschießen müssen, sagte er sich. Dann knöpfte er die Bluse auf. Schwarze Haarkringel überzogen dicht seine feiste Brust.
    Der Vizepräsident wandte sich zu ihm hin und sagte leise, unbewegt: »Ich habe mit dem Minister gesprochen.«
    »Versteht sich«, antwortete der Oberst. Er wußte, was nun kommen würde.
    »Wir beschlossen, die Sache diskret zu behandeln. Sie soll nicht in alle Welt posaunt werden.«
    »Versteht sich«, sagte der Oberst und dachte dabei: Ich habe auch verstanden, daß für mich nicht das geringste herausschauen wird. Der Minister nämlich hat die zwei Wochen Miami-Urlaub und den Cadillac bekommen. Ungnädig blickte er den Vizepräsidenten von der Seite her an und wußte: So also liegen die Dinge.
    »Es ist kein Grund, es an die große Glocke zu hängen«, betonte der Vizepräsident.
    »Nein, bestimmt nicht«, pflichtete der Oberst bei und schlürfte seinen Kaffee. Er nickte zustimmend zum Ankläger hinüber, der jetzt blaß dasaß. »Nun ja, nicht an die große Glocke, aber vielleicht an ein Glöckchen, des Protokolls wegen?«
    »Kein zu lautes, bitte!«
    »Gerade laut genug, daß man es hört«, sagte der Oberst und dachte: Der meint wohl, wir sind in der Wallstreet. Ich habe keine Erdölaktien. Und was den Minister betrifft, so mag ich ihn nicht. Ich möchte einen Cadillac haben, grau und blau getönt, mit automatisch versenkbarem Faltdach. »Befürchten Sie nichts, Senhor«, betonte er, »die Sache wird diskret behandelt.«
    »Da bin ich sehr froh.«
    »Und ich erst recht. Meine Herren, beginnen wir mit der Einvernahme der Zeugen!«
    »In welcher Reihenfolge wünschen Sie die Zeugen zu hören?« fragte der Ankläger.
    »Egal! Nach dem Alphabet? Nach Größe, Geschlecht, Religion? Oder vielleicht die Glatzköpfigen zuerst. Was macht’s schon aus? Vereidigen Sie sie!«
    Der Oberst sah, wie sich die Männer draußen erhoben, lethargisch wie Häftlinge eines Konzentrationslagers, die sich um Essen anstellen gehen, sah sie hereinschlurfen, einzeln, sah sie dasitzen und ausdruckslos die Bibel in die Hand nehmen. Nur der eine, der einsam neben dem Bohrturm saß, kam nicht: als betrachtete er sich als Angeklagten. Der erste Zeuge war ein Holländer. Wie die Fremdenlegion, welch bunte Familie ist das! dachte der Oberst. Alle Rassen, alle Hautfarben. Was zog sie aus Deutschland, aus Mexiko, aus Nordamerika in diese gräßliche Gegend? Erdöl. Ich hoffe, sie besitzen dicke Aktienpakete, ich hoffe, die Gesellschaft zahlt ihnen ordentliche Dividende. Die müden, stoppeligen
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