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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger
Autoren: Max Catto
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anhalten, dann fuhr er fort: »Wir verstehen einander, nicht wahr? Du bist Zeuge Nummer vier. Eine Lüge, eine einzige Lüge nur, wage sie nicht zu sagen! Denn ich rieche sie wie dein ungewaschenes Fleisch.« Und mit frommem Blick paraphrasierte er ein Bibelzitat: »Sei wahrhaft und lebe!«
    Dann stieß er mit dem Zeigefinger den Alten auf dem Feldbett und sagte befehlend: »Sie sind der erste. Los!«
    Der Alte schwieg, lag schweigend noch eine Weile, drehte sich zum Fenster, den Mann, der neben dem Bohrturm saß, anzuschauen, ließ sich auf das Kissen zurückfallen wie endgültig, als würde er den da draußen nie mehr wiedersehen. Mit gedämpfter Stimme sagte der Oberst hastig dem Schriftführer:
    »Schreiben Sie nur ja alles auf, er könnte uns sterben, bevor er fertig wird.« Zufrieden dachte er: Ich habe ihnen den Pfropfen herausgezogen, jetzt werden sie reden.

 
    ZWEITER TEIL Die Untersuchung

Zweites Kapitel
    Protokoll der Untersuchung, betreffend die Vorkommnisse im Lager San Juacinta der Zentralamerikanischen Erdöl AG.
    Vorsitzender: Oberst Manuel Cardenas.
    Der erste Zeuge, Juan Pereira, dienstältester Geologe, sagt aus:
    Juan Pereira: Wo soll ich anfangen?
    Vorsitzender: Mit dem Anfang. So ist’s am besten.
    Juan Pereira: Jeder Anfang hat den Schatten eines nächsten dahinter. Und hinter diesem …
    Vorsitzender: Nehmen Sie’s nicht übel, mein Freund, aber ersparen Sie uns derlei metaphysische Betrachtungen. Sie haben nicht alle Ewigkeit vor sich.
    Der Zeuge verlangt ein Glas Wasser.
    Der Vorsitzende tadelt den Schriftführer.
    Vorsitzender: Müssen Sie es so verdammt genau nehmen? Schreiben Sie doch nichts Überflüssiges!
    Schriftführer: Jawohl, Herr Oberst.
    Vorsitzender: Sie schreiben nur auf, was er sagt, verstanden?
    Juan Pereira: Ich glaube, für mich begann es an einem Nachmittag vor vier Wochen etwa. Was war das für ein glutheißer Nachmittag für uns im Camp! Wir hatten uns vor der Sonne in den Schatten der Veranda geflüchtet.
    Ich schrieb gerade einen Brief an meine Schwester. Dann war noch Leo Remmick dabei, der tat gar nichts. Und Luke Craig, der Lagerarzt, der schrieb auch einen Brief. Briefe zu schreiben half uns über die Langeweile hinweg. Sackweise sammelte man sie ein, die Briefe, um sie aufzugeben, wenn einmal in vierzehn Tagen unser Flugzeug seine Milchmannstour in die Zivilisation machte – nach San Juacinta, dem nächsten Ort.
    Aber weit mehr Briefe wurden nur geschrieben und nicht aufgegeben. Sie lagen dann in der Kantine herum, diese Zettel mit dicker, ungelenker Bleistiftschrift, wie Kinderbriefe, in vielerlei Sprachen.
    Harry Somers, unser Boß, saß am andern Ende der Veranda – nicht weil er sich wie Gott vorkam, der sich von gewöhnlichen Sterblichen fernhält, sondern weil er arbeitete. Er war so überarbeitet wie kaum einer. Es gibt Frauen, deren Hände sich jede freie Minute zur Strickarbeit flüchten. Harrys Hände flüchteten sich zu den Berichten über unsere Aufschlußbohrungen.
    Da hörte ich Luke zu Leo sagen, laut, damit es jeder verstehe: »Über Sex kann man auf zweierlei Weise sprechen, vergnüglich oder klinisch, als Mensch oder als Arzt.«
    Ich sah Harry zusammenzucken, als hätte ihn ein Moskito gestochen. Erbittert muß er gedacht haben: Jetzt sind sie schon wieder bei ihrem Thema!
    »Soll ich als Mensch oder als Arzt darüber sprechen?« hörte ich Luke fragen.
    »Sprich als Frauenarzt darüber!«
    »Du willst nicht ernst bleiben.«
    »Ich bin Litauer, und Litauern fällt es schwer, Sex ernst zu nehmen.«
    »Was nehmen sie überhaupt ernst?«
    »Frauen.«
    »Ist da ein Unterschied?«
    »Ja, ein subtiler. Die Sache wird unwichtig, sobald du mit einer ins Bett steigst.«
    Ich bemerkte, wie Harry nicht hinzuhören versuchte. Natürlich wußte er: Halb spaßhaft, halb ernst zielte das Gespräch auf ihn – einem feinen Wasserstrahl gleich. Er rückte seinen Stuhl, der knarrte vernehmlich. Harry wollte ihnen damit zu verstehen geben: Haltet den Mund endlich! – Die Hitze war gräßlich. Wie ich mich erinnerte, schrieb ich: »Man müßte annehmen, die Drüsen sind zu ausgedörrt, um einem noch Beschwerden zu machen«, aber das hätte meine Schwester, eine empfindsame Andalusierin, schockiert, daher kratzte ich es weg.
    Etwas Schweres plumpste auf das Strohdach. Ein Aasgeier, ein kluger und weitblickender Aasgeier. Er neigte sich balancierend über die Dachrinne, streckte seinen kahlen Kopf nach unten und besah uns prüfend, einen nach dem andern.
    »Er
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