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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger
Autoren: Max Catto
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Sonnenlicht, sie suchten nur den Mann da draußen, den Boß, der neben dem Bohrturm saß.
    Die Männer der Kommission tröpfelten herein. Zuerst die beiden Leutnants, die bis jetzt noch kein Wort geredet hatten. Als nächster der Ankläger, mit der Miene eines beleidigten Katers. Dann der Vizepräsident, der beunruhigt dreinsah. Als letzter der Schriftführer mit den drei anderen Zeugen, die der Oberst ausgesucht hatte.
    Ein Balte mit blaßblondem Haar – der Litauer, der wird am zähesten sein, dachte der Oberst. Dann ein dünner, müder anderer Europäer – ein Belgier laut Liste. Der wird zusammenklappen. Und ein kleiner brauner Mexikaner. Mit dem mache ich kurzen Prozeß, nahm sich der Oberst vor.
    Er musterte den Alten und sagte dem Schriftführer rasch: »Dieser Zeuge hat nicht viel Zeit. Lassen Sie den juristischen Firlefanz weg, und schreiben Sie bloß: Juan Pereira, dienstältester Geologe der Zentralamerikanischen Erdöl AG, sagt aus.«
    »Nein«, sagte der Alte.
    Müde, milchige Augen, weißer, gestutzter Bart, ein Professorengesicht – an wen erinnert es mich? fragte sich der Oberst. Sigmund Freud!
    Nun, wir sind alle bereit, eine kleine Selbstanalyse zu hören, sagte sich der Oberst. »Vereidigen Sie ihn!«
    Der Alte lächelte schwach. »Das ändert nichts an der Sache. Ich bin Agnostiker.«
    »Darüber einigen Sie sich mit dem lieben Gott, heute abend, wenn Sie ihn sehen.«
    »Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
    »Ihr Herz ist ein bißchen wacklig.«
    »Das weiß ich.«
    »Sie werden sterben. Wissen Sie auch das?«
    »Ja.«
    »Schließlich waren Sie lang genug auf der Welt, Sie können sich nicht beklagen«, sagte der Oberst, wobei er jedes Wort auskostete. »Ich hoffe nun, wir verstehen einander.«
    »Ich habe Ihnen noch immer nichts zu sagen.«
    »Sehen Sie den Mann da draußen?«
    Müde wandte sich der Kopf zum Fenster hin. »Ja.«
    »Ein Freund?«
    »Unser Betriebsleiter. Er war für das Camp verantwortlich.«
    »Mögen Sie ihn?«
    »Ja, sehr«, antwortete der Mann nach einer Pause.
    »Man wird ihn quälen.«
    Dem Vizepräsidenten entfuhr ein schwacher Laut.
    »Ich bitte um Ruhe, Senhor!« fuhr ihn der Oberst an.
    Der Alte schwieg.
    »Und Sie? Sie haben nichts dazu zu sagen?« fragte ihn der Oberst. »Nicht ein einziges Wort? Für einen Freund?« Schweigen. War er erschüttert? »Sie haben zu lang gelebt«, fuhr der Oberst schneidend scharf fort, »es bleiben Ihnen nur noch wenige Stunden. Stumm werden Sie aus Ihrem Leben davonkriechen, wie eine Schnecke.«
    Der Ankläger flüsterte ihm zu: »Herr Oberst, wenn er nicht will, kann man ihn nicht zwingen.«
    »Halten Sie Ihren Mund! Ihr Geschwätz beginnt mir auf die Nerven zu gehen.«
    »Es widerspricht dem gesetzlichen Verfahren …«
    »Ich habe mir jetzt ein anderes ausgedacht. Wenn Sie noch einmal den Mund auf tun, fliegen Sie hinaus!«
    Entsetztes Schweigen.
    »Herr Oberst, Ihr Vorgehen ist unverzeihlich!« stieß der Vizepräsident aufgebracht hervor.
    »Sie werden sich beim Minister über mich beschweren, was?«
    »Wenn Sie es wissen wollen: ja.«
    »Ich fürchte den Minister nicht. Er ist ja nur ein Politiker. Heute im Amt, morgen abgetan. Ich aber bin Offizier. In Südamerika hält sich nur die Armee.«
    »Unterbrechen Sie mich nicht, und versuchen Sie nicht, diese unparteiische Untersuchungskommission unter Druck zu setzen!«
    Unberührt sah ihm der Oberst in das zorngerötete Gesicht und dachte: Bevor noch der Tag zu Ende ist, wird er sich wünschen, er hätte zwei Cadillacs springen lassen. Dann wandte er sich blitzartig zu dem Mann mit dem blaßblonden Haar.
    »Jan Uschtschinski?«
    »Ja.«
    »ja, Herr Oberst , möchte ich bitten. Ich weiß, was Sie mir sagen werden: Als es passierte, waren Sie durch eine glückliche Fügung blind und taub. Sie sahen nichts, Sie hörten nichts.«
    »Ja, Herr Oberst.«
    »Sie sind Litauer?«
    »Ja, Herr Oberst.«
    »Auf der Totenliste lese ich den Namen des Oberingenieurs: Leo Remmick. Zufällig auch ein Litauer. Sie kannten ihn?«
    »Ja, Herr Oberst.«
    »Kannten ihn gut?«
    »Wir waren zusammen in Nordafrika. Kämpften auf Seiten der Engländer.«
    »Also ein Kriegskamerad?«
    Der Mann räusperte sich, ging zur Tür und spuckte aus. Dann wischte er sich mit dem Ärmel über das schweißtriefende Gesicht und kam wieder zurück. Den Obersten durchfuhr es: Feine Manieren kann man wirklich nicht von ihnen erwarten, wenn man sie so lange in den Dschungel sperrt. Kein Wunder. »Ja, Herr Oberst«, sagte der
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