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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn
Autoren: Karen Templeton
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mein Gott, was hast du nur mit deinem Haar gemacht!“ stößt Phyllis hervor, ihre Sprache klingt leicht verwaschen, als ob sie bereits ein paar Drinks intus hätte. Wie immer ist sie fachmännisch frisiert, ihr zartes Gesicht ist umhüllt von einem einfachen, teuren und blassen Haarschnitt. Eine große Anstecknadel mit einem diamantenen Tier – vielleicht ein Drache? – befindet sich unterhalb ihrer linken Schulter. Sie reicht mir ihre Hand, so dass ich mich nach unten beugen muss, um ihr eine angedeutete Umarmung zu geben. Ihr Parfüm lässt mich fast ohnmächtig werden. „Das sieht absolut fantastisch aus, Süße! Oder nicht, Bob?“
    Liegt das an mir, oder ist sie nicht ganz so warmherzig wie früher?
    „Wie? Oh ja.“ Gregs Vater betrachtet mich eingehend, er schielt ein wenig und wendet sich dann an seinen Sohn. „Einen Scotch, Greg? Und Weißwein für Ginger?“
    Mit Bob Munson in einem Restaurant zu essen ist immer Training für Selbstbehauptung. „Um ehrlich zu sein“, ich lächle den Ober an, einer von diesen „Ich tue das nur, um meinen Schauspiel- , Tanz- , Gesangs- oder sonstigen Unterricht zu finanzieren“-Typen, „… ich hätte lieber Wasser, bitte.“
    Nach einer kurzen Pause, die es braucht, bis jeder das geschluckt hat, beginnen die Männer über Politik und ihre Arbeit zu sprechen, während Phyllis mich über meinen neuen Job ausfragt.
    Damit bin ich zufrieden. Denn verglichen mit jedem anderen potenziell gefährlichen Thema, das sich in Gingers wahnsinnigem Sommer ergeben hat, wird dies zumindest keinen umhauen.
    Wir haben gerade die Vorspeise hinter uns, einen Spezialitätenteller aus völlig undefinierbaren Delikatessen. Unbekümmert stecke ich etwas in den Mund und kaue drauf los. Eigentlich gar nicht schlecht. Nur fragen Sie mich nicht, was es war.
    „Und wie geht es deiner Mutter, meine Liebe?“
    Hm. Tretet von dieser Bombe zurück, dann wird niemand verletzt.
    „Oh, ihr geht es gut“, sage ich. „Sie macht sich für das neue Schuljahr bereit. Sie wird dieses Jahr zum ersten Mal seit Ewigkeiten eine Unterstufenklasse unterrichten.“
    „Aha.“ Phyllis nimmt etwas von ihrem Teller, studiert es und lässt es wieder sinken. „Ich vermute mal, sie hat es geschafft, diesen Sommer keinen Ärger zu bekommen?“
    Ich bemerke, wie Gregs Unterhaltung kurz ins Stocken gerät. Ich blicke auf, Phyllis’ Augen fixieren mich.
    Sie ist vielleicht ein wenig beschwipst von ihren Drinks – sie hat inzwischen noch einen weiteren bestellt –, aber sie ist noch lange nicht betrunken. Und in ihrem Lächeln liegt eine Härte, die mir tief ins Herz schneidet. Dieses merkwürdige Klavierstück mit nur einer Note aus ‚Eyes Wide Shut‘ beginnt in meinem Hirn zu spielen.
    Ich lächle zurück. „Sie hat dieses Jahr nichts getan, um verhaftet zu werden, falls du das meinst. Sie beschränkt ihre Arbeit inzwischen überwiegend auf frauenspezifische Themen. Sie findet es sinnvoller, Spenden zu sammeln als zu demonstrieren. Obwohl“, füge ich lachend hinzu, „bei meiner Mutter kann man nie wissen.“
    Phyllis’ Lächeln ist festgefroren.
    Zum Glück kommt unser Hauptgang, und die nächsten Minuten verbringen wir damit, das Essen zu bewundern und zu preisen. Im Übrigen ist es wirklich nicht schlecht. Ein bisschen gewollt vielleicht, aber zumindest gelingt es mir, unter der Sauce tatsächlich etwas Schwertfisch zu finden.
    Bob Munson erhebt sein Weinglas.
    „Auf die Kinder, die wieder zusammen sind, so wie es sich gehört.“
    Unterm Tisch drückt Greg mein Knie. Als ich ihn ansehe, blinzelt er mir zu. Ein wortloses „Mach dir darüber keine Gedanken“.
    „Nun, Robert“, sagt Phyllis. „Übereile mal nichts. Ich vermute, ihr beide müsst noch eine Menge … aufarbeiten, oder?“
    Wir alle starren Gregs Mutter an. Sein Vater ist ganz offenbar erstaunt, dass seine Frau ihm tatsächlich widersprochen hat, wenn auch nur ganz vorsichtig, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es Greg genauso geht. Ich weiß nicht so genau, was ich denken soll. Ich meine, ich sollte ja eigentlich dankbar sein, dass endlich jemand kapiert, dass es noch viel zu früh ist für Vermutungen. Aber irgendetwas in ihrem Ton lässt mich aufhorchen. Ich habe verstärkt das Gefühl, dass ich nicht diejenige bin, die sie hier beschützen will.
    Greg lacht und nimmt damit die Spannung aus dem Gespräch. „Du bist da etwas voreilig, Dad. Wie Mutter gesagt hat, bis jetzt ist noch nichts entschieden.“ Er wirft mir ein
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