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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman
Autoren: Kerstin Gier
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Besonderes erkennen könne. Klar, dass allen außer mir schon längst aufgefallen war, dass auch die Namen eine versteckte sexuelle Botschaft transportieren.
    Henna-for-ever ließ wissen, dass Astrid Lindgren hier mit der Sprache bereits den Charakter der beiden Frauen Undis und Lovis, eine nämlich kalt, hart und lieblos, die andere dagegen mütterlich, warm und weich, ausdrücke.
    Eine zottelige Mandarine in der Mitte äußerte, dass ihr das auch sofort ins Auge gefallen sei. Sie hauchte »LLLLLooowwwwissss« mit ganz weichem S und fauchte dann »Undißßßß« in die Runde.
    Die Dozentin nickte begeistert. Bei Astrid Lindgren träfe man sehr häufig auf derartige Lautmalereien, bestätigte sie.
    »Man kann es aber auch umgekehrt machen«, hörte ich zu meiner großen Überraschung ein dünnes Stimmchen ausrufen. Es war mein eigenes. Ich hatte spontan mein Schweigegelübde gebrochen, weil ich überhaupt keine Lautmalerei erkennen konnte, sondern der Meinung war, dass ein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften und den Namen lediglich durch die Aussprache geschaffen wurde. Wenn man es umgekehrt machte, argumentierte ich, klänge eben Lovis hart und Undis weich. Zur Untermalung meiner Worte peitschte ich »Lovißßßß« in den Raum, säuselte »Unnnndhisss« hinterher und sah mich herausfordernd um.
    Mein Einwand wurde aber lediglich mit befremdeten Blicken unter roten Haaren quittiert, und als meine Stimme im Raum verhallt war, ergriff Henna-for-ever wieder das Wort, als hätte ich mich niemals in meiner Ecke gemuckt.
    Ich war trotzdem der Meinung, dass ich recht hatte, und beschloss missgestimmt, das Seminar fortan zu boykottieren. Man würde meine Abwesenheit ebenso wenig bemerken wie meine Anwesenheit.
    Draußen erschlug mich fast die Hitze. Der Vorteil dieser fensterlosen Mauerzellen, in denen man an der Philosophischen Fakultät studieren darf, ist ihre ganzjährige Temperaturbeständigkeit, der Nachteil, dass man nie sieht, ob es draußen schneit oder regnet, Tag oder Nacht ist. Heute jedenfalls war es heiß wie an einem Hochsommertag. Dabei war es erst Anfang Mai.
    Meine Freundin Katja sonnte sich mitten auf dem Albert-Einstein-Platz.
    Ich fuhr mit der Hand über ihr Haar und seufzte: »Ach, wie tut das gut, einmal einen Menschen ohne rote Haare zu treffen.«
    Katja lachte. Sie fand es hier an der Uni mindestens so schlimm wie ich, und wie ich studierte sie Germanistik und hatte, wenn möglich, noch abstrusere Nebenfächer gewählt.
    Wir hatten uns in unserem ersten Semester kennen gelernt, als wir uns gegen einen dieser Sektenmitgliedsanwerber wehren mussten.
    Als einsames, desorientiertes Erstsemester war man besonders leichte Beute für diese Sorte Rattenfänger, die mit süßlichem Lächeln auf ein verloren aussehendes Menschenkind zugingen, sich daneben setzten und unmittelbar ein Gespräch über Nächstenliebe und Glaubensgemeinschaft anfingen, das in der Regel mit dem Versprechen des Opfers endete, zur nächsten Zusammenkunft zu erscheinen. Was passierte, wenn man wirklich dorthin ging, wusste ich nicht, nur, dass man seines Lebens nicht mehr froh wurde, wenn man den Sektenmitgliedsanwerbern aus lauter Höflichkeit, Langeweile oder Angst - manche waren groß und stark - Rede und Antwort stand.
    Wenn man zu den Mutigen gehörte, die in diesem Verhör stumm blieben oder dem Sektenmitgliedsanwerber oder der Anwerberin deutlich machen konnten, dass man an keinerlei Gespräch mit ihm oder ihr interessiert waren, dann gehörte man wahrscheinlich auch zu den Glücklichen, die in ihrem ersten Semester nicht bei jedem Telefonklingeln in Schweiß ausbrachen und nur noch als höheres Semester getarnt durch die Uniflure liefen. Katja gehörte zu diesen Mutigen.
    Der Tag, an dem wir uns zum ersten Mal begegneten, war ein besonders trüber Herbsttag zu Beginn unseres ersten Semesters an der Uni. Wir saßen im Foyer, etwa fünf Meter voneinander entfernt, schwänzten ein Seminar und lasen.
    Ihr Buch hatte den Titel »Romanze auf der Intensivstation«, meines hieß »Glühende Küsse in Louisiana«. Wir hatten beide mit Beginn unseres Germanistikstudiums einen Hang zu Trivialliteratur entwickelt, was durchaus ein Kriterium der Seelenverwandtschaft sein kann, wie wir später feststellten.
    Von links steuerte uns ein verdächtig nach Sektenmitgliedsanwerber aussehender Asiate an. Er taxierte uns kurz und entschied sich, sein Glück bei uns zu versuchen.
    »Du Elstsemestel?«, fragte er Katja, deren Name ich zu diesem
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