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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman
Autoren: Kerstin Gier
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stehenblieb.
    »Lass uns zu mir gehen«, schlug ich vom Flur aus vor, aber Holger war jetzt von jenem Jagdtrieb gepackt worden, der seit der Steinzeit in jedem Mann steckt und dem Überleben gilt. Er lief zu seinem Auto und holte das Schloss-Enteiserspray aus dem Handschuhfach. Ich wagte mich zurück in die Tür, um die Spinne in der Zwischenzeit nicht aus den Augen zu lassen. Nicht auszudenken, wenn sie sich jetzt in den Spalt zwischen Wand und Bett zurückziehen würde!
    Das Enteiserspray vertrug sie nicht so gut wie Eau de Toilette. Sie machte sich ganz klein und sah plötzlich fast harmlos aus. Holger sprühte trotzdem die ganze Dose leer, bis sich die Spinne nicht mehr rührte.
    »Jetzt können wir ihr den Rest geben«, erklärte Holger mit überschnappender Stimme und befahl mir, ihm ein Buch zu bringen.
    Ein Buch zu finden, war in Holgers Wohnung normalerweise ein Ding der Unmöglichkeit. Aber auf dem Schreibtisch lag ein Leihbuch aus dem Sportwissenschaftlichen Institut. Die Spinne wurde zwischen »Basketball - Training und Taktik« und der Wand zerquetscht. Buch und Wand bekamen einen grässlichen Fleck.
    Holger kratzte die Spinnenbeine von der Wand. Ich vergaß zu sagen, dass er sie mir bitte aufbewahren sollte, für den Zauber gegen Haarausfall.
    »Ich bin doch ein wirklich tapferer Spinnenjäger«, bemerkte er zufrieden und zog mich aufs Bett. »Wenn man überlegt, dass ich nur tausendmal größer bin als das Untier.«
    Jetzt, da sie tot war, tat mir die Spinne leid.
    »Die arme, harmlose Spinne. Auf der Suche nach Futter für ihre Babys hatte sie sich verirrt, und draußen im Efeu sitzt ihr Mann und weiß nicht, dass sie von einem Riesen zerquetscht wurde«, sagte ich.
    »Hoffentlich kommt er nicht auf die Idee, sie hier zu suchen«, sagte Holger und zog seinen Pulli aus.
    Die ungewohnte Hausarbeit, das heiße Bad und die aufregende Spinnensafari harten mich schläfrig gemacht. Holger hingegen schien hellwach, von jenem Trieb gepackt zu sein, der seit der Steinzeit in jedem Mann steckt. Oder in jedem zweiten. Dagegen musste ich was unternehmen.
    »Wo sollen wir heute Abend hingehen?«, fragte ich hinterhältig.
    »Ich für meinen Teil will hierbleiben und Sex haben«, sagte Holger. Er konnte sehr direkt sein, wenn es darum ging. Ich für meinen Teil wollte keinen Sex haben, aber ich konnte nicht so direkt sein, wenn es darum ging. Deshalb versuchte ich, Holger abzulenken. Ich fragte ihn, warum er Sex wolle.
    »Weil ich Lust dazu habe«, sagte Holger.
    »Auf mich?«, fragte ich.
    »Auf wen sonst?«, fragte Holger zurück und entledigte sich seiner Socken.
    »Weil du mich umwerfend schön findest?«, fragte ich und wickelte mich in die Decke.
    »Nicht schön, aber eigenartig«, sagte Holger lüstern. »So was hört man gern«, sagte ich und schlief zur Strafe auf der Stelle ein. Meine Schuld war es wirklich nicht, dass er nach all den Jahren immer noch nicht wusste, wie er mich wachhalten konnte.

Montag
    »Ich muss jetzt aufstehen«, sagte ich. Es war kurz nach neun.
    »Dann tu's doch«, murmelte Holger in sein Kopfkissen. Er war noch sauer wegen gestern Abend. »Soll ich uns frische Brötchen holen?«, fragte ich munter. »Keinen Hunger«, sagte Holger zu seinem Kissen. »Ich könnte uns auch nur Kaffee machen«, schlug ich vor. »Keinen Durst«, nuschelte Holger und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand. Es war vielleicht ungerecht, aber ich hasste ihn dafür, dass er liegenbleiben konnte, während ich aufstehen musste. Es gab vielleicht noch mehr Paare auf der Welt, die sich nicht jeden Morgen beim gemeinsamen Frühstück verliebt über ihr Marmeladenbrötchen in die Augen sahen. Die anderen Männer wünschten ihrer Freundin aber immerhin einen schönen Tag, nannten sie »Liebling« oder »Mausi«. Oder wenigstens »Schatz«.
    Wären wir in meiner Wohnung gewesen, hätte ich Holger jetzt aus dem warmen Bett schmeißen können, so aber blieb mir nichts anderes übrig, als möglichst geräuschvoll aufzustehen.
    Als ich aus dem Bad kam, rührte sich Holger immer noch nicht. »Ich muss jetzt gehen«, sagte ich. »Dann tu's doch«, klang es dumpf aus dem Kissen. »Sehen wir uns am Mittwoch?«
    »Von mir aus!«, brummte Holger und zog sich die Decke über den Kopf. Deswegen konnte er nicht hören, wie ich den Tag verfluchte, an dem ich ihn kennen gelernt hatte, und die Wohnungstür hinter mir zuknallte.
    Nicht überhören konnte man allerdings das Geschepper, mit dem ich und mein Fahrrad die Treppe
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