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Männer sind Helden

Männer sind Helden

Titel: Männer sind Helden
Autoren: Jo Berlin , Jeannette Zeuner
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„Na, wie geht es dir, Alex? Wir haben ja lange nichts mehr voneinander gehört. Frau Petersen, Sie können jetzt Mittag machen. Ach nein, machen Sie bitte erst die Röntgenbilder fertig.“
    „Ja, ist in Ordnung“, erwiderte die Sprechstundenhilfe und verschwand, nicht ohne noch einen abschätzenden Blick auf mich zu werfen.
    „Komm, setz dich!“, forderte Udo mich auf und deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.
    „Ich bin total geschafft. Willst du einen Kaffee?“
    „Ja, gerne.“
    Udo ist ein echter Frauentyp. Er ist groß, schlank, hat saphirblaue Augen und ist immer braungebrannt. Er schenkte uns beiden Kaffee ein, aus einer blitzblanken Thermoskanne, die wahrscheinlich wirklich so teuer war, wie sie aussah. Udo liebt diesen teuren Schnickschnack; sein ganzes Haus ist voll davon. Alle Einrichtungsgegenstände sind aufeinander abgestimmt, selbst die Seife im Gästeklo hat haargenau dieselbe Farbe wie die Handtücher oder umgekehrt. Udos Frau Irene passt darüber hinaus vollkommen in dieses Nobel-Ambiente. Sie sieht immer aus, als sei sie der englischen Ausgabe der Vogue entsprungen: vom Chanel-Kostüm bis zum Jil-Sander-Nagellack. Ich habe sie noch nie in Jogginghosen oder Schlabber T-Shirt, geschweige denn ohne Make-up gesehen. Genauso verhält es sich mit ihren drei Kindern, Timo, Florian und Bea, sechs, neun und elf Jahre alt. Alle Kinder sind wohlerzogen, geschmackvoll gekleidet und natürlich sportlich und musisch überdurchschnittlich begabt. Mit anderen Worten: Udo hat eine Traumfamilie, wohnt in einem Traumhaus und hat einen Traumjob, als Arzt mit eigener Praxis.
    „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie mich meine Patienten nerven“, sagte Udo. „Allein diese ganzen Rentner, die nur zum Arzt gehen, weil sie sich langweilen oder sonst keinen haben, mit dem sie reden können. Manchmal komme ich mir vor wie ein Psychologe und nicht wie ein Orthopäde.“
    „Na ja, aber es geht dir ja nicht schlecht dabei. Was macht die liebe Familie?“
    „Alles bestens. Florian hat sich beim Roller-Wettfahren beide Vorderzähne ausgeschlagen, aber es ist Gott sei Dank nicht so schlimm. Wie steht es mit dir, wann wirst du Susi heiraten? Du bist jetzt 33, da wird es Zeit, eine Familie zu gründen.“
    „Ja, das stimmt, aber ich weiß wirklich nicht, ob Susi die Richtige ist. Und eigentlich fühle ich mich auch noch zu jung, um Familienvater zu werden. Die ganzen Jahre habe ich hart gearbeitet, da will ich mir wirklich nicht schon so eine Verantwortung aufhalsen. Ich möchte mein Leben eigentlich erst einmal genießen.“
    Udo nickte nur, als könne er sehr gut verstehen, was ich meine. Frau Petersen kam mit den Röntgenbildern ins Sprechzimmer. Die Knochen meines Armes hatten durch den Sturz nichts abbekommen. Ich hatte nur eine ziemlich starke Prellung, sagte Udo, und legte mir einen elastischen Verband an. Ich sollte den Arm ruhig halten und bis auf weiteres keinen Sport treiben. Zum Abschied drückte er mir noch eine Tube Salbe in die Hand und versprach, bald mal wieder anzurufen. Der Abend mit Susi verlief überaus harmonisch. Sie hatte gekocht, den Tisch feierlich gedeckt und trug zur Feier des Tages ihr schwarzes Minikleid, in dem sie so hinreißend aussah. Wir plauderten angeregt, sie schnitt das Thema Kind nicht mehr an, wir lachten und tranken jede Menge Wein, bis wir leicht angetrunken ins Bett torkelten und sofort einschliefen.

4. Kapitel
     

     
    Punkt zwölf standen Susi und ich vor der Tür meines Elternhauses. Zur Feier des Tages hatte wir uns richtig in Schale geworfen: Susi trug ihr dunkelblaues Kostüm und ich einen grauen Flanellanzug. „Ich öffne!“, ertönte die Stimme meiner Mutter aus der Gegensprechanlage. Meine Eltern wohnen im ersten Stock einer alten Villa. In dem Etagen-Apartment lebt Admiral Wollschneider a.D. zur Untermiete.
    Oben begrüßte sie uns überschwänglich, nahm unsere Garderobe in Empfang und führte uns ins Wohnzimmer, wo mein Vater auf seinem Sessel saß: „Guck mal, Max, die Kinder sind schon da!“ Mein Vater ist seit einem Jahr im Ruhestand. Er war Direktor der hiesigen Brauerei. Da er immer viel gearbeitet hatte, wusste er mit seiner freien Zeit nichts anzufangen. Von Besuch zu Besuch machte er einen immer depressiveren Eindruck auf mich. Meine Mutter versuchte, dies durch völlig übersteigerte Fröhlichkeit zu kompensieren.
    Der Tisch im Wohnzimmer war bereits gedeckt, und wir nahmen Platz. Es gab Hummersuppe als Vorspeise, dann Lammkeule mit
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