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Männer sind Helden

Männer sind Helden

Titel: Männer sind Helden
Autoren: Jo Berlin , Jeannette Zeuner
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Mähne und einer Zigarette im Mundwinkel tippte Isabel an die Schulter. „Darf ich bekannt machen? Tobias Hohlmann, der Redakteur.“ Wir gaben uns die Hand. Dann zog er die junge Frau beiseite. Leo kam auf mich zu, umarmte mich und beteuerte, wie sehr er sich freue, mich zu sehen. Er führte mich zu seinen Exponaten und wollte ständig meine Meinung hören. Ich lobte seine Bilder und versprach ihm, eins für mein Büro zu kaufen. Insgeheim hoffte ich jedoch, dass er meine Worte wieder vergessen würde. Er empfahl mir das Werk „Die Stille am Schreibtisch“. Das würde doch gut zu mir passen. Außerdem wäre es im Vergleich zu den anderen Kunstwerken „echt billig“. Nur 6.000 Euro sollte es kosten, „mit Rahmen!“ Ich nickte nur stumm, und bevor ich etwas erwidern konnte, sagte Leo: „Das bewundere ich an dir: deine Entschlussfreudigkeit. Herzlichen Glückwunsch!“ Er stieß sein Glas gegen meines, und die ältere Dame, die mich zu Beginn schon mit Champagner und Lachshäppchen versorgt hatte, klebte ein Zettelchen mit der Aufschrift „verkauft“ auf das Gemälde.
    Ich betrachtete mein Eigentum: Ein Bild in verschiedenen Ocker- und Brauntönen. Ein Schreibtisch vor einem geschlossenen Fenster, darauf eine Lampe. Auf der rechten Ecke des Schreibtisches saß ein Spielzeughase. „Was hat das denn zu bedeuten?“, fragte ich Leo.
    „Das Häschen hütet die Stille“, antwortete er prompt.
    Die übrigen Bilder waren umgehend verkauft. Leos Kunst war nämlich „in“, und zwar seit dem Tag, als die Polizei auf der Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit sein selbst entworfenes Transparent beschlagnahmt hatte. Der Vorfall wurde vom Kurier als Akt gegen die Kunstfreiheit bewertet, sogar der Vergleich mit den Bücherverbrennungen im Dritten Reich war gezogen worden.
    Ich blickte mich im Raum um, aber Isabel war nirgends zu sehen. Ich verabschiedete mich von Leo, der mir versprach, das Bild in den nächsten Tagen bei mir vorbeizubringen. Als ich zu meinem Auto kam, sah ich den himbeerfarbenen TR 3 um die Ecke biegen. Isabel saß am Steuer. Klar, nur eine Frau war dazu fähig, einen Oldtimer farblich derart zu verunstalten. Als sie bei mir vorbeifuhr, winkte sie mir zu. Ich hatte das Gefühl, als ob sie anhalten wollte. Aber als ich auf das Auto zuging, gab sie Gas und fuhr davon. Schade, ich hätte gerne noch ein paar Worte mit ihr gewechselt.
    Am Mittwoch fuhr ich gleich am Kiosk bei Frau Schmidt vorbei. „Guten Morgen, Herr Doktor!“, begrüßte mich Frau Schmidt.
    „Soll es der Kurier sein und ein Päckchen Marlboro?“
    „Ja, Frau Schmidt und dann geben sie mir bitte noch Die Szene .“
    „Aber gerne doch, Herr Doktor.“ Frau Schmidt strahlte übers ganze Gesicht. Seit ich sie in einer Sache gegen ihren Vermieter vertreten hatte, habe ich bei ihr ein Stein im Brett. Sie nennt mich immer „Herr Doktor“, obwohl ich sie schon oft gebeten habe, doch einfach Alexander zu sagen.
    Im Auto blätterte ich gleich Die Szene durch. Auf den Kulturseiten fand ich dann, was ich suchte: Das Foto von mir auf Leos Ausstellungseröffnung. Darunter stand: „Der Rechtsanwalt Dr. Alexander Grühnspahn betrachtet fasziniert das Werk Begegnung im All von Leo Bleibtreu. Foto: Isabel Rath. Ich muss schon sagen, ohne mir schmeicheln zu wollen: Ich sah auf dem Bild verdammt gut aus, mit meinem lockeren Leinenblazer und dem Drei-Tage-Bart. Nicht übel, gar nicht übel.
    Im Büro versuchte ich, Isabel in der Redaktion anzurufen. Sie sei leider nicht da, sagte man mir. Da sie nur freie Mitarbeiterin sei, könne sie kommen und gehen, wann sie wolle. Die Dame im Sekretariat versprach mir aber, ihr auszurichten, dass ich angerufen hätte. Ich gab ihr meine Telefonnummern durch, dienstlich und privat. Dann hatte ich einen Termin beim Amtsgericht. Es war eine einfache Sache. Ich vertrat Frau Klünner in einer Ordnungswidrigkeits-Angelegenheit. Sie war angeblich ohne Sicherheitsgurt gefahren. Dies hatten zwei Polizeibeamten, die am Westring den Straßenverkehr bewachten, beobachtet. Wie das bei Bußgeldsachen so ist, waren bereits drei Monate vergangen. Das übliche Verfahren mit Einspruch, Übersendung der Akten an den Staatsanwalt, Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und so weiter dauert eben. In unserem Fall kam uns der große Zeitraum zwischen der Tat und der Hauptversammlung jedenfalls zugute. Die beiden Polizeibeamten konnten sich, was auch dem Vorsitzenden nicht verborgen blieb, an den Vorfall kaum
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