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Männer sind Helden

Männer sind Helden

Titel: Männer sind Helden
Autoren: Jo Berlin , Jeannette Zeuner
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die Tapete regelmäßig abbürstete. Ich glaube, dass sich nicht einmal auf den Schränken ein paar Staubkörner halten können. Jedes Porzellanfigürchen in der Vitrine sieht aus wie poliert, und in den Blättern der Zimmerpflanzen kann man sich spiegeln. Meine Eltern leben in einer vollkommen keimfreien Umgebung – der Operationssaal in einem Krankenhaus ist nichts dagegen.
    Ich erinnerte mich, wie meine Mutter, als ich ein kleines Kind war, immer zufrieden gelächelt hatte, wenn sie mit dem Hausputz fertig war. Und an das ärgerliche und angestrengt wirkende Gesicht, wenn wir Kinder mit unseren dreckigen Gummistiefeln die ganze Pracht binnen weniger Sekunden wieder zunichte machten. Mein Vater hatte ihre Arbeit immer als selbstverständlich hingenommen, die frischen, gebügelten Hemden, die unzähligen Pfannen mit Bratkartoffeln und die Unmengen von frischen Handtüchern, die er nach seinen Tennis-Matches verbrauchte.
    Ich weiß nicht, ob meine Mutter eigentlich mit ihrer Rolle als Hausfrau, Mutter und perfekter Gastgeberin zufrieden ist, jedenfalls hat sie sich nie beklagt. Seit zehn Jahren hat sie allerdings diese Kopfschmerzen, die keine organische Ursache zu haben scheinen. Sie war schon bei unzähligen Ärzten. Keiner hat ihr helfen können. Sie nimmt täglich ihre Dosis Schmerztabletten. Ohne ihr Medikament könnte sie, wie sie mir einmal in einer stillen Stunde erzählt hatte, ihre „Situation“ nicht ertragen.
    Auf einmal stieg ein Gefühl des Widerwillens in mir hoch: So wollte ich auf gar keinen Fall leben. Ich beobachtete Susi, die auf dem Sofa neben meiner Mutter saß. Sie sah wunderschön aus, mit ihren langen blonden Haaren und ihren großen blauen Augen. Wie es wohl wäre, mit ihr verheiratet zu sein? Oder mit ihr Kinder zu haben? Ich bemühte mich, eine Vorstellung dieser Art hervorzurufen, doch das gelang mir nicht.

5. Kapitel
     

     
    Ich lenkte mein Auto schon das zweite Mal um den Häuserblock. Weit und breit war kein Parkplatz zu sehen. In zehn Minuten begann die Vernissage. Susi war zu Hause geblieben, sie hatte keine Lust auf Kunst, sondern wollte „einen Schönheitstag“ einlegen. Noch immer hatte ich keinen Parkplatz gefunden. Schließlich stellte ich den Wagen in zweiter Reihe auf den Bürgersteig ab, neben einem himbeerfarbenen Triumph-Cabrio, einem TR 3. Ich schüttelte den Kopf: Welcher Idiot konnte nur auf die Idee gekommen sein, das klassische British Racing Green himbeerfarben überspritzen zu lassen?
    Ich rannte die letzten Meter zur Galerie, doch als ich ankam, war die Eröffnung schon in vollem Gange. Eine ältere Dame im eleganten Seidenkostüm drückte mir ein Glas Champagner in die Hand und hielt mir ein Silbertablett mit Lachsschnittchen unter die Nase. Ich erkannte Leo inmitten einer Schar von Kunstbegeisterten oder solchen, die es sein wollten. Sie ließen sich von ihm sein Werk „Begegnung im All“ erklären. Ich näherte mich der Gruppe. „Ich wollte durch dieses Bild die menschliche Existenz in der Unendlichkeit des Weltraums darstellen“, sagte Leo, und die Menschen um ihn herum nickten zustimmend. Das Bild war dunkelblau. Die Farbe war mit dem Spachtel aufgetragen, sodass die Oberfläche einem Relief glich. In der Mitte des Bildes waren zwei schwarze, kleine Kugeln zu sehen, wie winzige Planeten. Mir sagte das Bild überhaupt nichts.
    „Können Sie sich bitte einmal vor dieses Bild stellen und es interessiert betrachten?“ Vor mir stand eine junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren. Sie blickte mich bittend an. Um ihren Hals baumelte eine Kamera. Ich muss ziemlich verdutzt dreingeblickt haben, denn sie entschuldigte sich, dass sie sich nicht vorgestellt hatte: „Ich bin Isabel Rath von der Zeitschrift Die Szene. Also, können Sie sich mal kurz hier hinstellen?“, wiederholte sie ihre Frage.
    Ich nickte: „Warum nicht?“, und schon bugsierte sie mich zu dem Exponat „Begegnung im Weltall“.
    „Können Sie bitte ein Stück näher rangehen? Ja, so ist es gut!“ Sie drückte ein paar Mal auf den Auslöser. Dann holte sie einen Block aus ihrer Tasche:
    „Wie heißen Sie?“
    „Warum wollen Sie das wissen?“
    „Weil ich Ihren Namen für die Bildunterschrift brauche.“ Sie lächelte mich freundlich, aber unverbindlich an.
    Ich sagte ihr meinen Namen, und sie kritzelte ihn in Windeseile auf das Papier. „Vielen Dank!“ Sie reichte mir ihre Hand, die sich merkwürdig kühl und trocken anfühlte.
    „Isa, bist du soweit?“ Ein Typ mit wild abstehender
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