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Maenner in Freilandhaltung

Maenner in Freilandhaltung

Titel: Maenner in Freilandhaltung
Autoren: Michaela Thewes
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Zug«, ließ ich Simon wissen und kam mir, als ich mich bei dem üblichen Handygesülze ertappte, ziemlich dämlich vor. Aber irgendetwas musste ich schließlich sagen. Tue Gutes und rede darüber, rief ich mir einen der Grundsätze erfolgreicher Eigen-PR ins Gedächtnis und legte gleich mal damit los. »Ich bin auf dem Weg zu meiner Schwester ins Sauerland. Sie hat familiäre Probleme und braucht meine Hilfe. Ich werde mich eine Weile um ihren Mann und die Kinder kümmern.«
    »Schade. Aber aufgeschoben ist schließlich nicht aufgehoben.«
    Na bitte! Zufrieden nahm ich zur Kenntnis, dass Simons Stimme ein kleines bisschen enttäuscht geklungen hatte. »Vielleicht klappt’s ja nächste Woche«, tröstete ich ihn – und noch viel mehr mich selbst. »Ich weiß zwar noch nicht so genau, wie lange ich im Sauerland bleiben werde, aber ich muss ohnehin zwischendurch mal in meiner Wohnung nach dem Rechten sehen.« Das mit der Wohnung war natürlich gelogen. Meine Nachbarin hatte einen Schlüssel, um die Post aus dem Kasten zu nehmen und die Blumen zu gießen. Aber das musste ich Simon ja nicht unbedingt auf die Nase binden. Denn auch wenn Vorfreude gemeinhin den Ruf genoss, die schönste Freude zu sein – drei, vier oder sogar fünf Wochen auf das Date mit Simon zu warten, war eindeutig zu viel des Guten. Und so ein großer Hallodri, dass ich ihn nicht mal für einen einzigen Abend unbeaufsichtigt lassen konnte, würde Ninas Mann schon nicht sein. Einer kleinen Spritztour nach Düsseldorf stand also nichts im Weg. »Lass uns am besten kurzfristig noch mal telefonieren, Simon«, sagte ich souverän. Gottlob, endlich hatte ich meine Fassung wiedergefunden. Wir quatschten noch ein bisschen über die Kanzlei, das Wetter und andere Belanglosigkeiten, dann musste ich das Telefonat leider beenden, denn wie der Zugschaffner über die Lautsprecheranlage verkündete, würden wir wenige Minuten später Lippstadt, mein erstes Etappenziel, erreichen.
    Nachdem ich die lästige Prozedur des Umsteigens hinter mich gebracht hatte, ließ ich das Telefonat mit Simon im Geiste noch einmal Revue passieren. Im Nachhinein fielen mir reihenweise schlagfertige Kommentare ein, für die es nun leider Gottes zu spät war. Aber auch wenn ich am Telefon nicht gerade vor Geist und Witz gesprüht hatte, war das Gespräch im Großen und Ganzen recht gut gelaufen.
    Je näher ich meinem Reiseziel kam, desto mehr rückte der Gedanke an Simon in den Hintergrund. Unruhig rutschte ich auf meinem Sitz herum. Nun dauerte es nicht mehr lange, bis ich da war! Was mich in den nächsten Wochen wohl erwarten würde? Ganz sicher kein All-inclusive-Urlaub mit Wellness- und Animationsprogramm. Vermutlich eher eine Mischung aus Ferien auf dem Bauernhof und Survivaltraining. Ob Daniel durchschaute, wofür Nina mich angeheuert hatte? Und ob mich die Kinder als Ersatzmami akzeptieren würden?
    Endlich hielt die Bahn mit quietschenden Bremsen am Hasslingdorfer »Hauptbahnhof«. Voller Vorfreude hievte ich mein Gepäck aus dem Zug und hielt Ausschau nach meiner Schwester. Doch der Bahnsteig war wie ausgestorben. Ich ließ mich seufzend auf meine Reisetasche sinken und wartete. Und wartete. Und wartete.
    Pünktlichkeit war bei Nina schon immer reine Glückssache gewesen. Meistens hatte sie – oder vielmehr derjenige, der mit ihr verabredet war – jedoch Pech. Zudem hatte Nina nun drei Kinder im Schlepp, da war es nur allzu verständlich, wenn sie sich ein bisschen verspätete. Ein bisschen, aber doch nicht eine halbe Stunde! Langsam kam mir das spanisch vor. Möglicherweise hatte Nina ihre Mailbox nicht abgehört. Zumindest war das die einzige plausible Erklärung, die mir einfiel.
    Als meine Schwester nach fünfundvierzig Minuten immer noch nicht aufgetaucht war und ich sie weder auf ihrem Handy noch zu Hause erreicht hatte, setzte ich zum Schutz gegen die Sonne meine Baseballmütze nebst dunkel getönter Sonnenbrille auf und schulterte seufzend meine schwere Reisetasche. Für Mai war es bereits erstaunlich warm. Obwohl ich meinen Pullover ausgezogen und um die Hüften gebunden hatte, schwitzte ich unter der Last des Gepäcks bereits nach wenigen Schritten aus allen Poren.
    Fröhlich vor mich hin transpirierend und nicht gerade bester Laune lief ich über den Marktplatz, vorbei an einer Bäckerei, einem Tante-Emma-Lädchen, einem Friseursalon und einer Dorfschenke. Wenn mich nicht alles täuschte, war das hier so etwas wie die Amüsiermeile des Ortes, wobei das
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